IoT-Lösungen für Apotheken

Andreas Bös ist Vice President der IoT Projektplattform Conrad Connect. (Foto: Conrad Connect)

In Apotheken lagern Medikamente im Wert von vielen Tausend Euro. Wie IoT-Lösungen dazu beitragen können, diese Werte zu schützen und den Pharmazeuten außerdem dabei helfen die Apothekenbetriebsordnung einzuhalten, erläutert unser Gastautor Andreas Bös in seinem Beitrag. Andreas Bös ist Vice President der IoT Projektplattform Conrad Connect

Gastbeitrag von Andreas Bös

Apothekenbetriebsordnung, DIN 58345, Protokollierung der Kühltemperatur von Medikamenten. Klingt nach lästigen Formalien und Paragraphenreiterei – führt für Apotheker aber schnell zu hohen finanziellen Schäden. Im Worst Case verweigert die Versicherung im Schadensfall die Zahlung; oder der Pharmazierat erteilt hohe Bußgelder. Moderne IoT-Lösungen greifen Pharmazeuten nun unter die Arme.

Und auf einmal war der Strom weg! Ein unaufmerksamer Handwerker, ein Missgeschick und die Apotheke steht im Dunkeln. Der Apotheker? Ist schon ins Wochenende entschwunden. Wenn er am Montag wieder zur Arbeit kommt, wird er sein blaues – in diesem Fall ein warmes – Wunder erleben. Denn der Medikamentenkühlschrank konnte seinen Pflichten ohne Stromzufuhr natürlich nicht nachkommen. Medikamente im Wert von 20.000 Euro, der durchschnittliche Gesamtwert von Medikamenten in deutschen Medikamentenkühlschränken, sind untauglich. Denn laut Apothekenbetriebsordnung müssen diese zu jeder Zeit zwischen zwei und acht Grad Celsius gelagert werden. Ein schwerer Schlag für den Unternehmer.

Kein Medikamentenkühlschrank nach DIN-Norm

Ein Anruf bei der Versicherung trägt nicht zur Verbesserung der Situation bei. Denn dort wird eine ominöse Vorgabe genannt: die DIN-Norm 58345. Diese umschreibt, stark verkürzt, welche Anforderungen Medikamentenkühlschränke erfüllen müssen, damit die Versicherung im Schadensfall einspringt: neun Anforderungen an der Zahl, von optischen und akustischen Signalen bei Temperaturabweichungen bis hin zu Sicherheitseinrichtungen bei Minustemperaturen. Erfüllt ein Medikamentenkühlschrank nur eine dieser Anforderungen nicht, bleibt die Zahlung der Versicherung aus; der Betroffene steht im Regen.

Ähnlich wie diesem namenlosen Beispiel-Apotheker ergeht es vielen Pharmazeuten in Deutschland: Aus der Branche heißt es, dass 90 Prozent der Apotheken noch nicht über einen Medikamentenkühlschrank nach DIN-Norm verfügen – und das obwohl die DIN-Norm bereits 2007 eingeführt wurde. Ein Spiel mit dem Feuer. Denn das Beispiel zeigt: Ein Kurzschluss, eine unachtsam offen gelassene Kühlschranktür vor dem Gang ins Wochenende – und der Unternehmer Apotheker bleibt auf einem immensen finanziellen Schaden sitzen. Denn der Apotheker muss nicht nur untaugliche Medikamente ersetzen, der eingeplante Umsatz mit der ursprünglichen Ware ist ebenfalls dahin. Michael Jeinsen, Geschäftsführer des Beratungsportals DenPhaMed, geht von circa einem Schadensfall pro Woche in Deutschland aufgrund von defekten Kühlschränken aus.

Das finanzielle Risiko für Apotheker nimmt in der Zukunft nochmals zu: Der Trend geht zu mehr kühlpflichtigen und somit höherpreisigen Medikamenten. Denn bei kühlpflichtigen Medikamenten handelt es sich oft um hochpreisige Mittel wie Zytostatika oder Onkologika. Bereits 2018 galten laut der Bundesvereinigung Deutscher Apothekerverbände (ABDA) 19,5 Millionen Medikamente in Deutschland als Kühlartikel; weitere 8,2 Millionen waren kühlkettenpflichtige Arzneimittel. 

Eine Entscheidung muss her: Umrüstung oder Risikominimierung?

Aus der fortschreitenden Digitalisierung – und dem Aufstieg des Internets der Dinge – ergeht für Apotheker nun aber eine Alternative zu teuren Umrüstungen; diese lautet Risikominimierung. Die Anforderungen der Apotheker an die IoT-Lösungen sind klar:

●         Kostengünstig sollen sie sein,

●         simpel und einfach zu bedienen,

●         gewohnte und bewährte Prozesse in der Apotheke sollen bestehen bleiben,

●         technisch zuverlässig müssen diese Lösungen sein, wenn dem Apotheker die Angst vor dem finanziellen Schaden genommen werden soll,

●         und sie müssen einen klaren Mehrwert gegenüber klassischen Minimum-Maximum-Thermometern oder elektrischen Temperaturloggern bieten.

Vorweg: Versicherungen setzen IoT-Lösungen für die Überwachung und Protokollierung der Medikamente-Temperaturen (noch) nicht mit der Einhaltung der DIN-Norm 58345 gleich. Doch bei gleich drei Anforderungen dieser Norm greifen sie Apothekern merklich unter die Arme. Ganz konkret bei optischen und akustischen Signalen im Falle von Temperaturabweichungen, optischen und akustischen Signalen im Falle von Stromausfällen sowie bei der Aufzeichnung der Betriebstemperatur.

IoT-Sensoren erkennen Abweichungen

In den Kühlschränken verbaute IoT-Sensoren nehmen Temperaturabweichungen und Stromausfälle wahr, rufen die zuständigen Mitarbeiter an und informieren diese über das Problem; alternativ verschicken sie Warnungen per Email oder SMS. Somit werden Apotheker auch über Komplikationen informiert, wenn sie, wie im Beispiel zu Beginn, nicht selbst anwesend sind. Schließlich hilft in diesem Fall ein bloßes optisches oder akustisches Signal des Kühlschranks vor Ort in der Apotheke nicht. 

Fallen Strom oder Internet aus, können diese Sensoren Temperaturdaten bis zu zehn Stunden zwischenspeichern. Der Pharmazeut kann im Anschluss minutiös herausfinden, wie sich die Temperaturabweichungen während des Störfalls auf die Medikamente auswirken. 

Im Gegensatz zu klassischen elektrischen Loggern verfügen diese IoT-Systeme zusätzlich noch über ein Batterie-Warnsystem. Vergisst der Mitarbeiter rechtzeitig die Batterien für die gewöhnlichen Logger auszutauschen, stellen diese bei zu geringem Ladestand einfach den Betrieb ein. Die IoT-Sensoren geben jedoch rechtzeitig Bescheid – melden sich also bei batterieschwäche eigenständig –, sodass der Apotheker rechtzeitig die Batterie wechselt.

Kommt der Pharmazierat zu Besuch …

Somit sind moderne IoT-Sensoren für Medikamentenkühlschränke nicht nur Risikoreduktoren für den Schadensfall – sie helfen auch bei einem Besuch des Pharmazierats. Schließlich überprüft dieser auch die Dokumentation der Temperaturen des Medikamentenkühlschrankes. Kann ein Apotheker nicht rückwirkend und lückenlos die korrekte Lagerung kühlpflichtiger Medikamente belegen oder – schlimmer noch – sind die Medikamente fehlerhaft gelagert worden, drohen hohe Strafen. Vierstellige Strafgelder sind Usus und ein schwerer Schlag für das Portemonnaie des Pharmazeuten. 

Kein Wunder also, dass die bloße Ankündigung eines Kontrollbesuchs für ein mulmiges Gefühl in vielen Apotheken sorgt. Eine sorgfältige händische Dokumentation der Minimal-, Maximal- und der Durchschnittswerte ist eine Herausforderung in sich selbst, der Fehlerteufel schleicht sich schnell einmal ein. Vor allem, wenn die in der Branche oft noch händische Protokollierung alltäglich ist. Täglich mehrfach mit dem Thermometer die Temperatur nachmessen und anschließend die Ergebnisse per Kugelschreiber auf dem Zettel am Kühlschrank eintragen ist kein fehlerresistentes Verfahren. Dagegen streamen IoT-Sensoren Temperaturdaten fortwährend in die Cloud. Dort werden sie dann direkt in Excel-Tabellen hinterlegt. Bei einem Besuch des Pharmazierats sind sämtliche Daten und Unterlagen zur Kühltemperatur mit einem Klick aufrufbar.

Fehler beheben – bevor Schlimmeres passiert

Und ist der Strom dann einmal weg, die Apotheke im Dunkeln und der Pharmazeut bereits im Wochenende – dann informieren ihn moderne IoT-Systeme unverzüglich. Statt am Montag das blaue Wunder zu erleben, düst er in die Apotheke und kann das Problem beheben. Bevor ihm die Versicherung mit Verweis auf Apothekenbetriebsordnung oder DIN 58345 die Zahlung verweigert.