Fachkräftemangel: Digitalisierung im Gesundheitswesen drängt

Neue digital-technische Berufsbilder wie DTA oder DTFA könnten dazu beitragen, das Gesundheitswesen zu entlasten. (Foto: ipopba/123rf.com)

Der Fachkräftemangel im Gesundheitswesen führt immer häufiger zu Engpässen. Ohne ein Gegensteuern wird die Situation sich in den nächsten Jahren noch drastisch verschärfen, warnt jetzt der VDE. Digitalisierung könnte hier helfen. Gleichzeitig sei eine Entlastung durch neue digital-technische Berufsbilder wie DTA oder DTFA dringend notwendig.

Bis 2030 sollen hierzulande rund eine Million medizinische Fachkräfte fehlen. Das bedeutet, dass stationär jede dritte Arztstelle unbesetzt bleibt, im ambulanten Bereich sogar jede zweite. Sieht man gleichzeitig, dass immenser Aufwand – in Zahlen 55 Millionen Arbeitsstunden – auf papiergebundene Bürokratie entfällt und unnötig Arbeitszeit bindet, so wird nach Ansicht des Verbandes der Handlungsdruck deutlich. „Wir haben gemeinsam mit Stakeholdern aus allen relevanten Bereichen im Gesundheitswesen eine Anwendungsregel (VDE-AR-E 2750-300) erarbeitet, wie sich die digitale Transformation gestalten und zertifizieren lässt“, so Dr.-Ing. Volker Schanz, Geschäftsführer der Informationstechnischen Gesellschaft im VDE (VDE ITG). Das gehöre auch Unterstützung konkreter Initiativen wie digiFORT unterstützen, über die Berufsbilder mit digitaler Kompetenz gefördert würden.

Positionspapier veröffentlicht

Der VDE hat jetzt das Positionspapier „Gestaltung Digitalisierung im Gesundheitswesen“  vorgestellt. Es soll die Anliegen von Politik, Jobcentern, Gesundheitsämtern, Krankenhausgesellschaft, Pflegerat, Krankenversicherungen sowie Ärzteverbänden, Apotheken und Industrie unterstützen. So sei nach Berechnungen der OECD unstrittig, dass der digitale Wandel mit Instrumenten wie elektronischer Patientenakte, Telemedizin, elektronischem Rezept und automatisierten Erstattungen in hohem Maße Aufwand und Kosten reduziere. Um die digitalen Tools nutzen zu können, braucht es allerdings nicht nur technologischen Fortschritt, sondern auch das entsprechende Know-how bei den AnwenderInnen, so der Verband.

Neue Berufsbilder fördern

„Berufsbilder wie der Digital-technische Assistent (DTA) oder der Digital-technische Fachangestellte (DTFA) entlasten medizinisches Personal und Pflegefachkräfte deutlich – diesen Vorteil sollten wir für Kranken- und Pflegeeinrichtungen flächendeckend nutzbar machen“, sagt Prof. Dr. Michael Czaplik, Sektionsleiter AcuteCare InnovationHub Uniklinik RWTH Aachen. Wird der Zeitdruck durch den geringeren administrativen Aufwand reduziert, könnte das Profil von Berufen im Gesundheitswesen zudem wieder attraktiver werden, was sich in Zukunft positiv auf die Personalsituation auswirken würde.

Ohne Digitalisierung droht der Kollaps

Doch auch wenn digitale Anwendungen immer häufiger eingesetzt werden, ist das digital-fachliche Unterstützungspersonal längt noch nicht etabliert. Was eine durchgängige Digitalisierung für PatientInnen bedeutet, lässt sich an einem einfachen Fallbeispiel aufzeigen. „Stellen Sie sich Frau Müller vor, 72 Jahre alt, Diabetes-Patientin“, schildert Pflegewissenschaftlerin und Unternehmensberaterin Carina Hilfenhaus. „Um den Diabetes neu einzustellen, muss sie ins Krankenhaus. Warum sollte nicht eine DTA dafür sorgen, dass den Ärzten Frau Müllers E-Akte sofort vorliegt?“ Nach der Entlassung hätte in dieser idealen Welt der ambulante Pflegedienst bereits alle Daten zur Verfügung, das E-Rezept wäre an die Apotheke übermittelt und die Medikamente wären schnellstmöglich verfügbar. „Es ist höchste Zeit, dass wir uns diesem Ideal annähern und die digitale Kompetenz massiv ausbauen“, so Hilfenhaus. Sollte das nicht geschehen, hält sie einen Kollaps im System für wahrscheinlich.