Den Ergebnissen einer repräsentativen Umfrage zufolge ist die Mehrheit der niedergelassenen Ärzte in Deutschland digitalen Leistungen gegenüber skeptisch eingestellt. So planen fast zwei Drittel (63,5 Prozent) in absehbarer Zeit keine Einführung von Videosprechstunden.
Das Meinungsforschungsinstitut Civey hat für Deutschlands größte Steuerberatungsgruppe im Gesundheitswesen ETL Advision eine repräsentative Umfrage durchgeführt. Demnach droht in Deutschlands Arztpraxen digitaler Stillstand. Die Umfrage unter 200 niedergelassenen Ärzten in Deutschland offenbart eine ambivalente Haltung der niedergelassenen Ärzteschaft gegenüber digitalen Angeboten. So hat ein Drittel der Befragten Mediziner Videosprechstunden bereits im Angebot oder in Planung oder ist noch unentschlossen.
Fast zwei Drittel (63,5 Prozent) geben allerdings an, in den nächsten beiden Jahren keine Einführung von Videosprechstunden zu planen und nennen als Gründe zu hohe technische und bürokratische Hürden. Rund 41 Prozent geben ein zu geringes Honorar für Videosprechstunden an. Ein Grund für die in der Umfrage zutage geförderte Skepsis sind die Schwierigkeiten bei der praktischen Umsetzung. Demnach bemängeln jeweils rund 30 Prozent der Ärzte Unklarheiten beim Datenschutz sowie zu langsame Internetverbindungen. Nach Ansicht der Gesundheitsexperten von ETL Advision ist hier die Politik gefragt, die für eine bessere Unterstützung der Praxen sorgen sollte.
Digitale Angebote als sinnvolle Ergänzung
Über die Hälfte der Befragten beurteilen die Corona-Pandemie als Beschleuniger für die Einführung von Videosprechstunden in ihrer Praxis und 37,3 Prozent geben an, dass digitale Angebote eine sinnvolle Ergänzung für die medizinische Versorgung der Patienten auf dem Land bedeuten. Allerdings erkennt nur jeder zehnte Arzt das Potential an der Videosprechstunde für die Attraktivität der eigenen Praxis.
Veränderte Patientenbedürfnisse erkennen
Die Studienautorin und ETL Advision-Expertin Janine Peine rät Medizinern, die Digitalisierung nicht zu unterschätzen: „In unseren Städten entstehen Ärztezentren ähnlich wie seinerzeit Einkaufszentren. Digitalangebote und Erreichbarkeit zu quasi jeder Tageszeit werden in immer mehr Praxen umgesetzt und von Patienten geschätzt.“ Aus Onlineshoppenden werden also Onlinepatienten. „Profiteure werden die Mediziner sein, die veränderte Patientenbedürfnisse erkennen und darauf aktiv reagieren“, ist Peine überzeugt. Gefragt seien Mut und eine offene Einstellung, um die eigene Praxis auf das neue Zeitalter einzustimmen.
Potential für eigene Arztpraxis nicht erkennbar
Die Umfrageergebnisse zeigen, dass zwar ein grundsätzlicher Widerstand der Ärzteschaft gegenüber digitalen Angeboten nicht zu erwarten ist, jedoch für die Mehrheit der Ärzte das Potential für die eigene Arztpraxis noch nicht erkennbar ist. „Die Öffnung zum digitalen Wandel wird aber von der Branche verlangt“, ist Peine überzeugt. „Das Vogel-Strauß-Prinzip wird zumindest langfristig keine Lösung sein. Diesen Praxen wird es sonst ähnlich ergehen wie seinerzeit dem Einzelhändler.“ Wer die Chancen aber rechtzeitig erkenne, könne seine Praxis modern, innovativ und zukunftsorientiert aufstellen. Die Befragung von 200 niedergelassenen Ärzten fand im Herbst 2021 statt. Die Ergebnisse sind repräsentativ für die Grundgesamtheit.