Muskeln zum Anziehen

Forschende entwickeln einen tragbaren Exomuskel für den Oberkörper. (Foto: ETH Zürich/Florian Haufe)

Einen tragbaren Exomuskel haben Forschende der ETH Zürich entwickelt. Diese „zusätzliche Muskelschicht“ soll Menschen mit Bewegungseinschränkungen zukünftig mehr Kraft und Ausdauer im Oberkörper verleihen.

Bei Michael Hagmann leidet an der seltenen Muskelerkrankung Bethlem-Myopathie. Um die fehlende Muskelkraft in den Armen zu kompensieren, macht Hagmann im Alltag Ausweichbewegungen. Diese Bewegungen führen zu einer schlechten Haltung und Verspannungen. Marie Georgarakis, ehemalige Doktorandin am Sensory-Motor Systems Lab der ETH Zürich, kennt das Problem. „Mittlerweile gibt es zwar viele gute Therapiegeräte in Kliniken. Diese sind aber oft sehr teuer und groß.“ Technische Hilfsmittel, die PatientInnen direkt im Alltag unterstützen, gibt es hingegen wenige. „Diese Lücke wollen wir schließen“, sagt Georgarakis.

So viel Kraft wie nötig

Aus diesem Grund haben die Forschenden das „Myoshirt“ entwickelt, einen weichen, tragbaren Exomuskel für den Oberkörper. Er besteht aus einer Art Weste mit Manschetten für die Oberarme und einem kleinen Kasten. Darin befindet sich die Technik, die nicht unmittelbar am Körper zur Verfügung stehen muss. So funktioniert es: Ein intelligenter Algorithmus erkennt mithilfe von Sensoren im Stoff, welche Bewegung der Träger oder die Trägerin ausführen will und wie viel Kraft dafür benötigt wird. Ein Motor verkürzt daraufhin ein im Stoff parallel zu den Muskeln verlaufendes Kabel. Dieses Kabel dient als eine Art künstliche Sehne. Dadurch wird die Bewegung unterstützt. Diese Hilfe ist immer Einklang mit der vom Nutzer ausgeführten Bewegung und kann auf individuelle Präferenzen abgestimmt werden. Nutzende behalten die volle Kontrolle.

Vielversprechende Tests

Einen ersten Prototyp haben die Forschenden nun in einer Studie mit zwölf ProbandInnen getestet. Dabei handelte es sich um zehn gesunde Personen, eine Person mit einer Muskelschwäche (Michael Hagmann) und eine Person mit einer. Die Resultate sind vielversprechend: Alle Teilnehmenden konnten dank dem Exomuskel ihre Arme und/oder Gegenstände sehr viel länger heben. Die Ausdauerzeit erhöhte sich bei gesunden ProbandInnen um rund einen Drittel, bei dem Teilnehmer mit Muskelschwäche stieg sie um 60 Prozent und der Teilnehmer mit einer Rückenmarksverletzung konnte die ihm aufgetragenen Übungen gar drei Mal so lange durchhalten. Die überwiegende Mehrheit der Versuchsteilnehmenden empfand das Gerät zudem als intuitiv in der Nutzung und berichtet von einer geringeren Beanspruchung der eigenen Muskeln.

Weitere Tests geplant

In einem nächsten Schritt wollen die Forschenden ihren Prototypen außerhalb des Labors in der natürlichen Umgebung der zukünftigen Trägerinnen und Träger testen. Mithilfe dieser Ergebnisse wollen sie das Gerät weiter verbessern. So muss es zum Beispiel noch kleiner und leichter werden, damit es bequem unter der Kleidung getragen werden kann, Heute wiegt die Antrieb- und Steuerungsbox immerhin noch vier Kilogramm.

Damit das gelingt, wollen die Forschenden maximal reduzieren. Daher wollen sie sich weiterhin auf eine Kernfunktion konzentrieren – das Unterstützen der Schulter beim Anheben der Arme. Zudem arbeiten sie eng mit dem ETH-Spin-off MyoSwiss AG zusammen. Es stellt ein weiches Exoskelett – eine Art Roboteranzug zur Unterstützung der Beine – her.

Quelle: ETH Zürich