KI erkennt kranke Sehzellen

Menschliches Auge
Menschliches Auge: „Ausweitung von Hauptläsionen durch Therapieansätze verlangsamen“ (Foto: © denisnata/123rf.com)

Eine auf künstlicher Intelligenz (KI) beruhende Software erlaubt die präzise Verlaufsbeurteilung der geographischen Atrophie (GA), einer Erkrankung der Netzhaut infolge altersabhängiger Makuladegeneration (AMD).

Entwickelt wurde die Software von Wissenschaftlern an der Augenklinik des Universitätsklinikums Bonn, der Stanford University und der University of Utah. Die Lösung ermöglicht die voll automatisierte Vermessung der atrophischen Hauptläsionen mittels Daten der optischen Kohärenztomographie, die den Aufbau der Netzhaut dreidimensional sichtbar macht. 

Darüberhinaus kann die Integrität, also die „Unversehrtheit“ lichtempfindlicher Zellen der gesamten zentralen Netzhaut präzise bestimmt werden. Auch fortschreitende degenerative Veränderungen der so genannten Photorezeptoren jenseits der Hauptläsionen sind nachweisbar. Die Erkenntnisse sollen für die Wirksamkeitsbeurteilung neuer innovativer Therapieansätze genutzt werden. Die Studie ist nun in der Fachzeitschrift „JAMA Ophthalmology“ erschienen.

Für die geographische Atrophie, eine der häufigsten Ursachen für Erblindung in Industrienationen, gibt es bislang keine wirksame Therapie. Bei der Erkrankung werden Zellen der Netzhaut geschädigt und sterben ab. Dabei dehnen sich die Hauptläsionen – Areale von degenerierter Netzhaut, auch „geographische Atrophie“ genannt – im Verlauf der Erkrankung aus und führen zu blinden Flecken im Gesichtsfeld der Betroffenen.

Erhalt der Mikrostruktur der Netzhaut

Eine entscheidende Herausforderung für die Erprobung von Therapien ist, dass diese Läsionen langsam voranschreiten, sodass für Interventionsstudien eine lange Nachbeobachtungszeit notwendig ist. „Für die Beurteilung von Therapieansätzen konzentrierten wir uns bislang primär auf die Hauptläsion der Erkrankung. Allerdings leiden Patienten neben den zentralen Gesichtsfeldausfällen auch an Beschwerden wie einer eingeschränkten Lichtsensitivität in der umgebenden Netzhaut“, erklärt Prof. Dr. Frank G. Holz, Direktor der Augenklinik des Universitätsklinikums Bonn. „Ein Erhalt der Mikrostruktur der Netzhaut außerhalb der Hauptläsionen wäre daher bereits ein wichtiger Teilerfolg, anhand dessen sich zukünftige Therapieansätze auf ihre Wirksamkeit hin überprüfen ließen.“

Zellzustand sagt Krankheitsverlauf voraus

Die Wissenschaftler konnten zudem nachweisen, dass die Integrität der lichtempfindlichen Zellen außerhalb von Arealen geographischer Atrophie prognostisch für das zukünftige Fortschreiten der Erkrankung ist. „Möglicherweise ließe sich daher die Ausweitung von Hauptläsionen durch Therapieansätze verlangsamen, welche die umgebenden lichtempfindlichen Zellen schützen,“, meint Professorin Monika Fleckenstein vom Moran Eye Center der University of Utah, Initiatorin der in Bonn durchgeführten Verlaufsstudie zu geographischer Atrophie, die der aktuellen Veröffentlichung zugrunde liegt.

„Die Forschung in der Augenheilkunde ist zunehmend datengetrieben. Die vollautomatisierte, präzise Analyse feinster, mikrostruktureller Veränderungen in Daten der optischen Kohärenztomographie mittels KI stellt einen wichtigen Schritt in Richtung personalisierte Medizin für Patienten mit altersabhängiger Makuladegeneration dar“, erläutert Erstautor Dr. Maximilian Pfau von der Universitäts-Augenklinik Bonn. „Weiterhin wäre es sinnvoll, Therapiestudien aus der Vergangenheit mit den neuen Methoden erneut auszuwerten, um auch mögliche Effekte auf die Photorezeptor-Integrität zu beurteilen.“