TNS Infratest: Digitalisierungsgrad in der Medizin ist niedrig

70 Prozent der Unternehmen in Deutschland haben die Digitalisierung bereits in ihre Unternehmensstrategie eingebunden. „Niedrig“ digitalisiert bleibt weiterhin das Gesundheitswesen, wie eine aktuelle Untersuchung von TNS Infratest zeigt.

Alljährlich erheben TNS Infratest und das Mannheimer Zentrum für Europäische Wirtschaftsforschung (ZEW) im Auftrag des Bundeswirtschaftsministeriums Daten zur Digitalisierung der gewerblichen Wirtschaft in Deutschland. Wichtigstes Ergebnis der diesjährigen Erhebung: Die Digitalisierung hat sich im Vergleich zum Vorjahr deutlich gesteigert.

Laut dem heute veröffentlichten „Monitoring Report Wirtschaft DIGITAL 2016“ erreicht Deutschland beim Digitalisierungsgrad seiner gewerblichen Wirtschaft jetzt 55 von 100 möglichen Indexpunkten. Dies ist ein Anstieg gegenüber Vorjahr um sechs Punkte. Die Prognose der befragten Unternehmen sieht Deutschland in fünf Jahren bei einem Wert von 58 Punkten.

Ansteig in jeder Hinsicht

„Damit die Unternehmen weiterhin solche deutlichen Fortschritte in der Umsetzung der Digitalisierung machen können, bleibt es wichtig, die Hemmnisse weiter abzubauen. Neben Breitband und Investitionsbedarfen, kann auch die Klärung von Datenschutz- und Datensicherheitsfragen die Rahmenbedingungen erleichtern“, sagt Dr. Sabine Graumann von TNS Infratest, die die Gesamtverantwortung für die Studie trägt.

47 Prozent (2015: 34 %) der gewerblichen Wirtschaft haben ihre unternehmensinternen Prozesse hoch digitalisiert. 70 Prozent (2015: 64 %) haben die Digitalisierung in ihre Unternehmensstrategie eingebunden. Die Digitalisierung der Geschäftstätigkeit hat sich ebenfalls erhöht. 43 Prozent der gewerblichen Wirtschaft (2015: 27 %) generiert mehr als 60 Prozent ihres Umsatzes bereits digital. Die Nutzungsintensität digitaler Technologien ist nach wie vor hoch. 72 Prozent der festangestellten Mitarbeiter nutzen stationäre, 31 Prozent mobile Geräte. Die Nutzung digitaler Dienste ist noch steigerungsfähig.

Deutliche Branchen-Unterschiede

Der Wirtschaftsindex zeigt, dass sich die gewerbliche Wirtschaft hauptsächlich in drei Digitalisierungsdimensionen zwischen „hoch“, „durchschnittlich“ und „niedrig“ digitalisiert aufteilen lässt. 27 Prozent der Unternehmen der gewerblichen Wirtschaft sind „hoch“ digitalisiert (>= 70 Indexpunkte), 49 Prozent „durchschnittlich“ (40 bis 69 Punkte im Index) und 24 Prozent sind „niedrig“ (< 40 Punkte) digitalisiert. Betrachtet man die elf Kernbranchen innerhalb dieser Dimensionen werden große Unterschiede deutlich.

„Hoch“ digitalisiert: Die IT- und Kommunikations-Branche ist und bleibt digitaler Vorreiter und hat einen Sprung auf 75 Indexpunkte geschafft. Damit liegt sie deutlich über dem gesamten Wirtschaftsindex DIGITAL 2016 von 55 Punkten. Als „hoch“ digitalisiert gelten auch die wissensintensiven Dienstleister mit heute 70 und in fünf Jahren 79 Punkten. Nach der Prognose werden sich diese im Jahr 2021 sogar vor der IKT-Wirtschaft mit 77 Punkten platzieren.

Digitaler Durchschnitt

„Durchschnittlich“ digitalisiert zeigen sich sieben der elf analysierten Kernbranchen der gewerblichen Wirtschaft. Die Finanz- und Versicherungswirtschaft positioniert sich mit 61 Punkten auf Rang drei nach den hoch digitalisierten Branchen. Prognostiziert wird ihr eine Verbesserung um drei Punkte bis 2021. Der Handel liegt aktuell bei 55 Punkten (2021: 58 Punkte) und behauptet seinen vierten Rang mit deutlichem Vorsprung zur Energie- und Wasserversorgung mit 48 Punkten (2021: 52 Punkte) auf Rang fünf.

Der Einsatz von Schreibmappe und Kugelschreiber gehört im Krankenhaus vielfach noch immer zum Berufsalltag. (Foto: © Production Perig/fotolia.com)
Der Einsatz von Schreibmappe und Kugelschreiber gehört im Krankenhaus vielfach noch immer zum Berufsalltag. (Foto: © Production Perig/fotolia.com)

Rang sechs im Index erreicht der Maschinenbau mit 46 Punkten (2021: 47 Punkte) vor der an siebter Stelle platzierten chemisch-pharmazeutischen Industrie, die aktuell und künftig 45 Punkte im Index erzielt. Während die Verkehrs- und Logistikbranche mit 43 Indexpunkten im Jahr 2016 auf Rang acht liegt, verbessert sie sich bis 2021 durch einen deutlichen Zuwachs auf 47 Indexpunkte auf Rang sieben. Der Fahrzeugbau ist und bleibt mit jeweils 40 Punkten in beiden Jahren auf Rang neun.

Mediziner liegen zurück

„Niedrig“ digitalisiert sind und bleiben das Gesundheitswesen mit 36 Punkten (2021: 38 Punkte) und das sonstige verarbeitende Gewerbe, das als Schlusslicht mit 35 Punkten auf Rang elf stagniert.

Digitalisierungsvorteile

Welche Vorteile bietet die Digitalisierung den Unternehmen? 84 Prozent der Unternehmen der gewerblichen Wirtschaft sehen die beiden größten Vorteile in der Verbesserung der Zusammenarbeit mit externen Partnern, 80 Prozent in der Effizienzsteigerung unternehmensinterner Prozesse. Drei Viertel bestätigt deutlich erkennbare Wachstumssteigerungen, 71 Prozent eine sichtbare Steigerung ihrer Innovationsfähigkeit.

Woran hapert es?

Das größte Hemmnis für den Ausbau der Digitalisierung in der gewerblichen Wirtschaft stellt die Unterversorgung mit Breitband (40 Prozent der Befragten) dar. Mit 38 Prozent ist der hohe Investitionsbedarf die zweitgrößte Hürde. Obwohl 85 Prozent (2015: 80 %) der Unternehmen der gewerblichen Wirtschaft die Digitalisierung für insgesamt bedeutsam halten, geben 32 Prozent an, dass der hohe Zeitaufwand eine Hürde darstelle. Fast jedes vierte Unternehmen sieht in fehlenden, verlässlichen Standards (28 Prozent) und in Datenschutz- und Datensicherheitsfragen (25 Prozent) Erschwernisse, die der Digitalisierung entgegenstehen. 25 Prozent der Unternehmen der gewerblichen Wirtschaft halten die Digitalisierung nicht für notwendig.

Fazit: Politik muss handeln

Im Zentrum des politischen Bemühens sollte weiterhin die digitalisierungsfreundliche Gestaltung der Rahmenbedingungen stehen. Die wichtigsten Hemmnisse, die der Digitalisierung entgegenstehen und politisch zu bekämpfen sind, sind die mangelhafte Versorgung mit Breitbandverbindungen sowie der Fachkräftemangel. Die rechtlichen Rahmenbedingungen, insbesondere in den Bereichen Datenschutz und Datensicherheit müssen kontinuierlich und schnell mit Blick auf den rapiden technischen in ökonomischen Wandel fortgeschrieben werden. Die Entscheidungsträger für die rechtlichen Rahmenbedingungen sind besser und kontinuierlich für die Schaffung eines geeigneten Umfeldes für innovative Geschäftsmodelle weiterzubilden. Der „Wert der Daten“ ist bewusst als Chance wahrzunehmen. Auswertungen sollten dem Kunden dienen und im Gesundheitswesen dem Wohl der Patienten. Auch hier sind die angemessenen Rahmenbedingungen durch die Politik noch zu schaffen. Das Gleiche gilt für die digitale Arbeitswelt.

Studiensteckbrief: Das Institut TNS Infratest führte von April bis Juli 2016 eine repräsentative Befragung unter den deutschen Unternehmen zum Stand und zu den künftigen Perspektiven der Digitalisierung in Deutschland durch. Es wurden 924 Interviews durchgeführt. Der Fragebogen wurde in enger Projektpartnerschaft gemeinsam mit dem ZEW Mannheim erarbeitet. Die Befragung ist für die gesamte gewerbliche Wirtschaft repräsentativ, konkret für die folgenden elf Branchen: den Maschinenbau, den Fahrzeugbau, die chemisch-pharmazeutische Industrie, das sonstige verarbeitende Gewerbe, die Informations- und Kommunikationswirtschaft, die Energie- und Wasserversorgung, den Handel, den Bereich Verkehr und Logistik, die Finanz- und Versicherungswirtschaft sowie für die wissensintensiven Dienstleister und die Gesundheitswirtschaft.