Corona: Maßnahmen in virtueller Stadt testen

Das Online-Modell der Wissenschaftler. (Foto: Universität Hohenheim)

In einer virtuellen Stadt kann jeder selbst testen, welche Auswirkungen verschiedene Maßnahmen auf den Verlauf von Pandemien haben können. Entwickelt wurde das Online-Modell von Wissenschaftlern der Universität Hohenheim.

Mithilfe der virtuellen Modellstadt der Universität Hohenheim in Stuttgart lassen sich unterschiedliche Maßnahmen simulieren. So lässt sich beispielsweise testen, was passiert, wenn man die infizierten Menschen in häusliche Quarantäne schickt, die Schulen schließt, mit Gesundheitsaufklärung die allgemeinen Hygienebedingungen verbessert oder die Bettenkapazität in den Krankenhäusern aufstockt. Alle Maßnahmen beeinflussen die Anzahl der schweren Fälle und der Verstorbenen sowie die Länge der Pandemie. Die Forscher hoffen, dass die Nutzer mit diesem Wissen ein besseres Verständnis für die komplexen Zusammenhänge haben. 

Hilfreiche Politik-Labore

Die Corona-Pandemie verunsichert nicht nur die Bevölkerung, sondern auch Wissenschaftler und Politiker. Die Verantwortlichen in den einzelnen Ländern reagieren mit unterschiedlichen Instrumenten. Um schon vorab zu bewerten, welche Maßnahmen wie lange eingesetzt werden sollten, könnten die sogenannten Politik-Labore hilfreich sein. Davon ist Prof. Dr. Andreas Pyka vom Lehrstuhl für Innovationsökonomik der Universität Hohenheim überzeugt. „Politiklabore sind Simulationsmodelle mit graphischen Darstellungen, bei denen der Nutzer selbst Einfluss nehmen kann und beispielsweise unterschiedliche Instrumente zur Epidemie-Bekämpfung ausprobieren kann“, erläutert der Wissenschaftler. Die Konsequenzen sehe der Nutzer unmittelbar.

Virtuelle Stadtbewohner im Computermodell

Ein solches Politik-Labor hat das Forscherteam, bestehend aus Dr. Ben Vermeulen und Dr. Matthias Müller, nun veröffentlicht. Für die Computersimulation wurde eine typische europäische Stadt mit Wohnvierteln und ihren verschiedenen Einrichtungen nachgebildet. Dazu zählen beispielsweise Arbeitsstätten, Supermärkte, Schulen, Sportplätze, und Krankenhäuser. Jeder einzelne Bewohner der Stadt führt ein ganz normales Leben: Die Menschen leben in einer Familie oder sind alleinstehend, haben viele soziale Kontakte oder leben eher zurückgezogen, die Erwachsenen gehen zur Arbeit und anschließend zum Einkaufen, die Kinder sind morgens in der Schule, nachmittags und abends trifft man sich beim Sport. Überall finden zahlreiche Begegnungen und soziale Interaktionen statt. „Für ein Virus, wie das hochansteckende Corona-Virus sind das ideale Ausbreitungsbedingungen“, so Prof. Dr. Pyka. Mit dem Computermodell lässt sich dieser Prozess analog zum wirklichen Geschehen starten. Der Nutzer kann beobachten, wie sich nach und nach ein großer Prozentsatz der Menschen infiziert und teilweise auch schwer erkrankt oder verstirbt.

Wie im realen Leben, ist auch die Krankenhauskapazität in der Modellstadt begrenzt. Daher nehmen mit dem Überschreiten der Kapazitätsgrenze die Sterbefälle zu. Auch ohne Eingreifen verschwindet das Virus nach einer gewissen Zeit und die überlebenden Stadtbewohner haben eine Immunität entwickelt. In diesem Fall gibt es allerdings viele Verstorbene zu beklagen.

Wirksamkeit verschiedener Maßnahmen ablesen

In der virtuellen Stadt lässt sich jedoch auch simulieren, was passiert, wenn zum Beispiel die Schulen grundsätzlich geöffnet bleiben, nur infizierte Schüler vom Unterricht ausgeschlossen werden oder die Schulen ganz geschlossen werden. Oder wenn grundsätzlich alle Menschen im Home-Office arbeiten, nur die kranken Personen nach Hause geschickt oder alle Menschen zur Arbeit gehen. Alle diese Maßnahmen können in dem Politik-Labor ebenfalls angestoßen werden. Das Programm zeigt den Verlauf der Krankheit, die Anzahl der schweren Fälle und der Verstorbenen sowie die Länge der Pandemie. Möglich macht das die sogenannte „Agenten-basierte Modellierung“. Computerprogramme mit diesem Programmieransatz bestehen aus einer Vielzahl eigenständiger Bots, die autonom interagieren.

Einen großen Vorteil dieses Modells Pyka darin, dass die verschiedenen sozialen Kontakte einzelner Akteure simuliert werden. Daher ist die Methode seiner Ansicht nach gut geeignet, um die Ausbreitung von ansteckenden Krankheiten zu analysieren, oder um Maßnahmen zu ihrer Bekämpfung zu bewerten.