KI-Assistent für die Notfallmedizin

Typische Röntgenaufnahme des Thorax aus dem Alltag der Intensivmedizin der Klinik für Radiologie des UKSH Lübeck mit zahlreichen Kathetern und weiterem Fremdmaterial (Abb.: Prof. Dr. Jörg Barkhausen, Dr. Malte Sieren, Klinik für Radiologie, UKSH Lübeck)

Ein intelligenter Röntgenassistent soll in der Intensiv- und Notfallmedizin künftig dabei helfen, wichtige Informationen aus Röntgen- und CT-Bildern zu filtern. Solche Informationen sind entscheidend für die weitere Versorgung von Patientinnen und Patienten. 

Entwickelt wird die neue KI-Software für Radiologen im Rahmen des Projekts „Künstliche Intelligenz (KI) für radiologische Bildgebung in der Notfall- und Intensivmedizin“ (KI-RAD). Drei kritische Anwendungsbereiche stehen dabei im Fokus: Schlaganfall, Knochenverletzungen und Röntgenaufnahmen des Brustkorbes (Röntgenthorax).

Dringliche Probleme schnell erkennen

„Gerade in der Notfall- und Intensivmedizin kann ein intelligenter Röntgenassistent lebensrettend sein, da er schnell Dinge erkennt und dafür sorgt, dass man nichts übersieht“, sagt Projektkoordinator Dr. Claus-Christian Glüer, Professor für Medizinische Physik an der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel (CAU). Die Arbeitsgruppe von Prof. Dr. Mattias Heinrich am Institut für Medizinische Informatik der Universität zu Lübeck wird im Rahmen des Projektes neue Techniken der Erklärbarkeit und Visualisierung von tiefen maschinellen Lernverfahren entwickeln.

Den Anwendungsbereich zu Röntgen-Aufnahmen des Brustkorbs betreut Prof. Dr. Heinrich zusammen mit Prof. Dr. Jörg Barkhausen und Dr. Malte Sieren aus der Klinik für Radiologie und Nuklearmedizin am UKSH, Campus Lübeck. Es geht darum, behandlungsbedürftige Probleme auf der Internsivstation wie zum Beispiel die Fehllage eines Katheters oder einen Pneumothorax mit Hilfe von KI schneller und automatisch zu erkennen.  Weitere Anwendungsfälle in diesem Projekt, in dem Informatiker, Ärzte und Industriepartner eng zusammenarbeiten, sind die automatische Erkennung von Schlaganfällen und Frakturen.

Entscheidungshilfe statt Block-Box

Für viele Anwender, insbesondere im medizinischen Bereich, ist der Einsatz eines KI-Verfahrens mit Vorbehalten verbunden. Doch bereits jetzt gibt es Möglichkeiten, die Entscheidungsfindung eines neuronalen Netzwerkes transparent zu machen. „Eine Weiterentwicklung zur interpretierbaren Visualisierung, die auch Unsicherheiten sichtbar macht, wird die Akzeptanz der Nutzung einer KI-Unterstützung für Ärztinnen und Ärzte deutlich erhöhen“, ist sich Prof. Heinrich sicher. Grundlage für die Entwicklung dieses intelligenten Röntgenassistenten sind Röntgenbilder aus dem klinischen Alltag, die von spezialisierten Radiologen interpretiert und annotiert wurden. Das KI-System lernt Objekte und patientenspezifische Ausprägungen aus diesen Beispielbildern wiederzuerkennen. Eine große Menge an annotierten Bilddaten soll die Qualität der Vorhersagen verbessern und auf Grund der enthaltenen Variabilität die Abschätzung von Unsicherheiten erlauben. In Zusammenarbeit mit Philips Research werden sowohl die Annotationswerkzeuge für die genaue Erfassung der Lage von Kathetern und Fremdmaterialen in Röntgenaufnahmen verbessert als auch KI-Methoden auf dieses spezifische Anwendungsproblem angepasst und optimiert.

Patienten profitieren

Potenzielle Anwendungsgebiete für transparente KI-gestützte Analyseverfahren gibt es in der Medizin viele. Patienten profitieren einer schnellen, zielgerichteten Diagnostik, die im Einzelfall schwere Komplikationen verhindern oder lebensrettend sein kann. Und in kleineren Krankenhäusern beispielsweise kann ein solches Tool Ärzte unterstützen, denen zu Dienstzeiten nicht immer fachärztliche radiologische Expertise zur Verfügung steht. Auch ein Einsatz zu Trainingszwecken ist vorstellbar.

Das auf drei Jahre angelegte Projekt ist ein Anwendungsprojekt innerhalb von „KI-Space für intelligente Gesundheitssysteme“ (KI-SIGS). Es wird mit 1,5 Millionen Euro vom Bundesministerium für Wirtschaft und Energie gefördert. Das Projekt s endet voraussichtlich im März 2023. Neben die Universität zu Lübeck und der CAU als Koordinatorin sind auch das Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf (UKE), das Universitätsklinikum Schleswig-Holstein (UKSH) sowie die Unternehmen Philips, Hamburg, und mbits, Heidelberg, beteiligt.