Forschern ist es gelungen, eine Art „Landkarte“ für Krebswachstum zu erstellen. Dazu nutzten sie pathologische Daten und Computersimulationen.
Wissenschaftler der Universität und des Universitätsklinikums Leipzig haben entdeckt, dass sich die Tumorausbreitung und die Gewebeinvasion von Krebszellen anhand der entwicklungsbiologischen Abstammung der Gewebe vorhersagen lässt. Durch die Simulation von Ausbreitungsmustern des Gebärmutterhalstumors und Analyse pathologischer Daten haben die Wissenschaftler neue Erkenntnisse gewonnen. Sie widersprechen der vorherrschenden Meinung, dass sich Tumore zufällig und nach allen Richtungen gleich ausbreiten. Ihre Erkenntnisse haben sie nun im Fachjournal „Scientific Reports“ veröffentlicht.
Deutlich bessere Überlebenschancen
„Unser Ansatz liefert Chirurgen eine ‚Roadmap‘ für die operative Entfernung von Tumoren, damit die Patienten deutlich bessere Überlebenschancen haben, die Wahrscheinlichkeit eines Rückfalls reduziert und gleichzeitig die Sterblichkeit durch chirurgische Eingriffe minimiert wird“, sagt Hans Kubitschke vom Peter-Debye-Instituts für Physik der weichen Materie der Universität Leipzig, der gemeinsam mit Benjamin Wolf von der Klinik für Frauenheilkunde am Universitätsklinikum Leipzig Erstautor der Veröffentlichung ist. Gemeinsam mit anderen Physikern der Universität und Medizinern der Universitätsklinik haben sie diese „Roadmap“ erstellt.
Computersimulationen der Tumorausbreitung
Mithilfe von pathologischen Daten aus über 500 Fällen und Computersimulationen der Tumorausbreitung konnten die Wissenschaftler nachweisen, dass das Wachstumspotenzial von Gebärmutterhalskrebs nicht in alle Richtungen hin gleich ist. Außerdem variiert die Ausbreitungswahrscheinlichkeit zwischen verschiedenen anatomischen Strukturen in unmittelbarer Nähe des Gebärmutterhalses stark. So waren einige anatomische Strukturen wie das Gewebe der Harnblase deutlich häufiger betroffen als andere Strukturen, beispielsweise der Harnleiter und das Rektum. „Zwischen der Befallswahrscheinlichkeit und dem entwicklungsbiologischen Ursprung der Gewebe – der sogenannten Kompartimente – besteht ein Zusammenhang: Kompartimente, die einen starken entwicklungsbiologischen Verwandtheitsgrad zum Gebärmutterhals aufweisen, haben eine höhere Wahrscheinlichkeit, vom Tumor befallen zu werden als Gewebe mit einem schwachen Verwandtheitsgrad“, so Wolf. Mit Hilfe einer Gewebekartierung lässt sich dem Wissenschaftler zufolge daher die Wahrscheinlichkeit einer Tumorausbreitung in einem bestimmten Gewebe vorhersagen.
„Landkarte“ für Krebswachstum in anderen Tumoren
In ihren Forschungen haben die Wissenschaftler einen Rahmen für die Konzeption und Vorhersage der lokalen Ausbreitung von Gebärmutterhalskrebs geschaffen. Sie vermuten aber, dass die entwicklungsbiologische Gewebecharakterisierung auch als „Risiko-Landkarte“ für das lokale Krebswachstum in anderen Tumoren dienen könnte. „Wenn man den embryologischen Ursprung eines Gewebes kennt, in dem Krebs auftritt, kann man eine relative Wahrscheinlichkeit ableiten, dass verschiedene benachbarte Gewebe von Tumorzellen befallen werden“, sagt Physiker Prof. Dr. Josef Alfons Käs. Die chirurgische Entfernung des Tumors könne so genau auf das gefährdete Gewebe zugeschnitten werden.
Die Forscher hoffen, dass ihre Erkenntnisse in Zukunft dazu beitragen, die Sterblichkeit von Patienten bei Tumoroperationen zu verringern, indem risikoarmes Gewebe geschont und gleichzeitig die lokale Tumorkontrolle verbessert wird.