Smarte Rollstühle und Prothesen erkennen Hindernisse

Treppen, steinige Wege und Stufen – für Rollstuhlfahrer sind derartige Hindernisse oft unüberwindbar. Und auch für die Träger von Beinprothesen können sie gefährlich sein, weil das künstliche Körperteil – anders als das natürliche Knie- oder Sprunggelenk – keine Ausgleichsbewegungen macht. Ein neues Verfahren soll den Alltag dieser Menschen nun deutlich erleichtern.

„Das Ziel der Forschung ist es, Rollstühlen und Prothesen Intelligenz zu verleihen“, sagt Bernhard Kleiner von der Abteilung Biomechanische Systeme am Fraunhofer IPA. Zusammen mit seinem Team hat er ein Sensorsystem entwickelt. Es soll dabei helfen, Hindernisse rechtzeitig zu erkennen und zu überwinden. Herzstück der neuen Technik sind Radar-on-Chip-Sensoren zum Scannen der Umgebung. Verglichen mit Ultraschall- oder Lasersensoren, die in der Regel zur Steuerung von Robotern eingesetzt werden, haben die Radar-Chips den Wissenschaftlern zufolge mehrere Vorteile: Sie sind deutlich leichter und kleiner. Deshalb eignen sie sich besonders gut für mobile Anwendungen und funktionieren auch außerhalb geschlossener Räume. Für den Einsatz in der Orthopädietechnik ist das ein großer Vorteil, denn die Patienten sollen die neuen Funktionen in möglichst vielen Situationen verwenden können.

Allerdings haben günstige Radarchips auch einen Nachteil: Sie verfügen nur über eine Antenne, die sowohl Signale aussendet als auch die reflektierte Strahlung empfängt. Mit dieser Anordnung lassen sich nur Gegenstände sichtbar machen, die vom Radarstrahl direkt getroffen werden. Die Messung ist damit eindimensional. Für die Ortung von Hindernissen ist das zu wenig.

Ein Trick eröffnet neue Dimensionen

Den Wissenschaftlern ist es mit einem Trick gelungen, aus den eindimensionalen Messungen ein zweidimensionales Bild zu erstellen: „Ähnlich wie ein Laserscanner verschiedene Punkte einer Oberfläche abrastert, kombinieren wir mehrere Reflexionen aus unterschiedlichen Blickrichtungen“, sagt Projektleiter Kleiner. Die unterschiedlichen Blickrichtungen entstehen quasi von selbst, wenn der Radar-Chip bewegt wird. Das ist zum Beispiel immer dann der Fall, weil sich der Träger einer mit der Sensorik ausgerüsteten Beinprothese bewegt. Bei einem in einen Rollstuhl integrieren Sensor ist es komplizierter, unterschiedliche Blickwinkel zu erzeugen. Hier hilft ein Spiegel, der den Radarstrahl hin- und herlenkt. Aus den unterschiedlichen Messungen erzeugt dann zu diesem Zweck entwickelter Algorithmus das 2D-Bild der Umgebung, auf dem sich Hindernisse bis auf wenige Zentimeter genau lokalisieren lassen.

Patentiertes Verfahren

Die Wissenschaftler haben sich das Verfahren bereits patentieren lassen. Nun untersuchen sie gemeinsam mit dem isländischen Prothesen-Hersteller Össur, wie die elektronische Steuerung von Beinprothesen mit Hilfe der Radar-Bilder verbessert werden kann. Darüber hinaus entwickeln die Forscher in einem Projekt mit den Human Engineering Research Laboratories HERL der amerikanischen University of Pittsbourgh einen intelligenten Rollstuhl mit beweglichen Radgelenken, der sogar Treppen überwinden kann.