Immer mehr Erreger sind unempfindlich gegen Medikamente und die Bedrohung durch multiresistente Keime steigt stetig an. Selbst bisher gut behandelbare Infektionen können lebensbedrohlich verlaufen. Wissenschaftler haben einen neuartigen Schnelltest entwickelt, der wesentlich schneller als bisher Auskunft darüber geben kann, welches verfügbare Antibiotikum im konkreten Fall noch wirksam ist.
Wissenschaftler des Leibniz-Instituts für Photonische Technologien (Leibniz-IPHT), des Jenar Universitätsklinikums und der Friedrich-Schiller-Universität Jena arbeiten an der schnellen und kostengünstigen Alternative zur bislang zeitintensiven mikrobiologischen Erregerdiagnostik. „Wir kombinieren lichtbasierte Analysemethoden mit mikrofluidischer Probenprozessierung“, erläutert die Projektleiterin Prof. Ute Neugebauer und ergänzt: „Mit unserem Lab-on-a-Chip-System, also einem miniaturisierten Labor, können wir Bakterienstämme und deren Resistenzen in weniger als dreieinhalb Stunden eindeutig bestimmen.“
Damit verläuft die Resistenz-Bestimmung wesentlich schneller als durch Standardverfahren für die Infektionsdiagnostik. Sie benötigen mitunter 72 Stunden, bis ein verlässliches Ergebnis vorliegt. Dies liegt unter anderem daran, dass die Anzahl der Erreger in einer Patientenprobe viel zu gering ist, um Tests durchführen zu können. Deshalb ist eine Analyse erst nach einer zeitraubenden Kultivierung möglich. Vor allem in der klinischen Anwendung, bei der Behandlung von schweren Infektionen, beispielsweise bei einer Sepsis, ist Zeit jedoch ein entscheidender Faktor. Intensivmediziner stehen vor einem besorgniserregenden Dilemma: „Viel zu oft müssen wir ‚blind‘ mit Breitspektrumantibiotika behandeln, da wir zunächst weder den Erreger noch eventuell vorhandene Resistenzen bestimmen können. Daher schießen wir unter Umständen mit Kanonen auf Spatzen. Ein Teufelskreis, der das Entstehen neuer Resistenzen begünstigt“, so Prof. Michael Bauer, Direktor der Klinik für Anästhesiologie und Intensivmedizin am Universitätsklinikum Jena.
Schnellere Ergebnisse aus dem Mini-Lab
Eine deutlich schnellere Diagnose als Grundlage für eine verlässliche Therapieentscheidung liefert das neue Verfahren aus Jena. Ein Kernelement sind winzige Elektroden, die auf der Oberfläche des etwa briefmarkengroßen Chips angebracht sind „Hier fixieren elektrische Felder die Bakterien in einem sehr kleinen Bereich“, erklärt Ute Neugebauer, die am Leibniz-IPHT und am Universitätsklinikum Jena arbeitet. Dort gefangen, bringen die Wissenschaftler die Erreger mit verschiedenen Antibiotika in unterschiedlichen Konzentrationen in Kontakt und untersuchen diese mit Hilfe der Raman-Spektroskopie. „Das heißt, wir bestrahlen die Erreger mit Laserlicht und werten das gestreute Lichtspektrum aus,“ beschreibt Neugebauer die Methode.
„Bereits nach zwei Stunden sehen wir eindeutige Veränderungen in den Raman-Spektren. Daraus lässt sich ableiten, ob der Stamm resistent oder sensibel ist,“ sagt Prof. Jürgen Popp, Sprecher von Leibniz Gesundheitstechnologien und Direktor des Leibniz-IPHT. Gleichzeitig erhalten die Forscher Informationen darüber, wie hoch die Konzentration des Antibiotikums sein muss, um das Bakterienwachstum vollständig zu hemmen. „Das ist ein wichtiger diagnostischer Parameter, der den Erfolg der Behandlung entscheidend beeinflusst,“ so Popp.
Resistenz-Bestimmung bald beim Hausarzt?
Die Zeit von der Probennahme bis zum Ergebnis wird durch die Kombination aus schneller, lichtbasierter Diagnostik und einem hohen Automatisierungsgrad von bisher 72 auf dreieinhalb Stunden verkürzt. „Eine derart schnelle Diagnostik könnte die Therapie von schweren Infektionskrankheiten revolutionieren,“ sagt Prof. Bettina Löffler, Direktorin des Instituts für Medizinische Mikrobiologie am Universitätsklinikum Jena. Zurzeit arbeiten die Wissenschaftler an einer Plattform für den Einsatz in Krankenhäusern. Geplant ist zudem die Weiterentwicklung zu einem kartuschenbasierten Schnelltestsystem. Damit könnten auch erstmalig Hausärzte Resistenzen unkompliziert und schnell bestimmen und das individuell für jeden Patienten am besten passende Medikament finden.
Die Ergebnisse seiner Neuentwicklung hat das Team aus Chemikern, Medizinern vor Kurzem im Fachjournal Analytical Chemistry vorgestellt. Gefördert wurden die Forschungsarbeiten von der Europäischen Union, dem Bundesministerium für Bildung und Forschung, dem Freisstaat Thüringen und der Carl-Zeiss-Stiftung.