Ultraschall gegen Tumoren

Bei der Therapie von Tumoren könnte hochintensiver fokussierter Ultraschall (HIFU) künftig eine wichtige Rolle spielen. In ihrem Gastbeitrag auf mednic.de erklären PD Dr. Dr. Milka Marinova und Prof. Dr. Holger Strunk die Technik und erläutern deren Möglichkeiten in der Therapie von Pankreas- und Lebertumoren.

Gastbeitrag von Priv.-Doz. Dr. med. Dr. rer. nat. Milka Marinova und Prof. Dr.med. Holger Strunk

Einführung

Der extrakorporale hochintensive fokussierte Ultraschall (HIFU) ist ein innovatives therapeutisches Verfahren, mit dem Tumore ohne das Einbringen von Elektroden, Nadeln, Sonden oder ähnlichem „berührungsfrei“ abladiert werden können. Bisher hat sich der HIFU als wirksam und in der klinischen Anwendung praktikabel erwiesen. Als Hauptindikationen gelten sowohl gutartige Tumore wie Uterusmyome oder Adenomyose als auch bösartige Tumore wie Lebertumore, das inoperable Pankreaskarzinom, und periphere Skelett- oder Weichteiltumore.

Auf den Einsatz beim Pankreaskarzinom sowie bei Lebertumoren soll im Folgenden kurz eingegangen werden.

Wirkweise des Verfahrens

Im Rahmen der HIFU-Ablation werden gebündelte Schallwellen genutzt. Ähnlich wie im Brennpunkt einer Lupe das Sonnenlicht gebündelt wird, können beim HIFU durch die Bündelung im Fokus Temperaturen von über 80° Celsius entstehen, die zur Koagulationsnekrose des Gewebes führen. Weitere Wirkungseffekte sind die Bildung kleiner Gasbläschen im Gewebe, sog. Kavitationen, entstehende Scherkräfte im Gewebe sowie verschiedene immunologische Mechanismen.

Voraussetzungen einer HIFU-Therapie

Prinzipiell unterliegt der therapeutische hoch-intensive fokussierte Ultraschall den gleichen Einschränkungen wie der diagnostische Ultraschall. Der akustische Zugangsweg darf nicht mit Verbänden bedeckt und der Tumor nicht zu weit von der Oberfläche entfernt sein – die Eindringtiefe des therapeutischen Ultraschalls bei dem von uns verwendeten Gerät liegt bei maximal etwa 11,5 Zentimeter. Auch wenn der zu behandelnde Tumor hinter Knochen liegt oder Luftüberlagerung zum Beispiel durch die Lunge oder ein überblähtes Kolon den Blick auf die Organe verhindert, ist der Befund einer HIFU-Therapie nicht zugänglich.

Therapie von Pankreastumoren

Das Pankreaskarzinom hat weiterhin die schlechteste Prognose unter den gastrointestinalen Tumoren, insbesondere da es bei Erstdiagnose in 80% der Fälle bereits inoperabel ist und insgesamt vergleichweise nur wenige Therapieoptionen zur Verfügung stehen. Die Lebensqualität der betroffenen Patienten wird durch das klinische Hauptsymptom, den Tumorschmerz, deutlich bis massiv eingeschränkt. Im Verlauf werden diese Schmerzen vielfach behandlungsresistent, die verfügbaren Therapiemöglichkeiten zur Analgesie und zur lokalen Tumorkontrolle sind insgesamt unbefriedigend.

Derzeit gibt es keine etablierte Strategie zur lokalen Therapie des Pankreaskarzinoms. Die nichtinvasive HIFU-Behandlung kann nicht nur effektiv zur lokalen Tumorkontrolle eingesetzt werden, sondern weist einen bedeutenden klinischen Zusatznutzen auf, indem dadurch die tumorassoziierte Schmerzsymptomatik signifikant reduziert wird. Bei mehr als 80% der in unserer Klinik behandelten Patienten führte die HIFU-Behandlung zu einer wirksamen und anhaltenden Linderung der Tumorschmerzen. Es konnten sowohl die Schmerzintensität als auch die Schmerzempfindung deutlich reduziert werden. Der schmerzlindernde Effekt trat bereits in der Frühphase (innerhalb der ersten Woche) nach der Behandlung auf und bezog die sensorische wie die emotionale Schmerzkomponente ein. Die erzielte deutliche Schmerzreduktion war unabhängig vom Tumorstadium bzw. vom Metastasierungsstatus sowie auch vom initialen ECOG-Status der Patienten. Bei den HIFU-behandelten Patienten wurde nach sechs Wochen eine signifikante Reduktion der analgetischen Medikation dokumentiert. Zu diesem Zeitpunkt war bei 50 Prozent der Patienten keinerlei Schmerzmittel mehr erforderlich. Auch bei einliegenden Stents für Galleableitung konnte die lokale HIFU-Behandlung erfolgreich durchgeführt werden. Die Ablation war bei mesenterialer Gefäßbeteiligung und ausgeprägten Umgehungskreisläufen sicher möglich. Bei der Mehrheit der Patienten (94%) hatte die Therapie trotz zum Teil hochgradiger tumorbedingter Gefäßstenosen keine nachteilige Auswirkung auf die Gefäßsituation.

Insgesamt führte die additive HIFU-Behandlung zu einer konsekutiven Verbesserung der Lebensqualität der Patienten, in erster Linie durch die deutliche Linderung des Leitsymptoms Tumorschmerz. Bei mehr als 80 Prozent der Patienten konnte eine signifikante Reduktion des Tumorvolumens im zeitlichen Verlauf erreicht werden; diese wurde beim lokalen Tumorprogress auch nach durchgeführter zweiter HIFU-Behandlung beobachtet, was bei etwa zehn Prozent der Patienten der Fall war. Die HIFU-Therapie ist mit einer insgesamt geringen Nebenwirkungs- und Komplikationsrate assoziiert. Neben dem entscheidenden symptomatischen Nutzen für die Patienten bestehen möglicherweise potenzielle prognostische Vorteile.

Therapie von Lebertumoren

Aufgrund der unterschiedlichen Tumorentstehung und der Datenlage bei der Behandlung von Lebertumoren wird hier der Einsatz des HIFU beim Leberzellkarzinom (hepatozellulären Karzinoms; HCC) getrennt von anderen Lebertumoren erläutert.

Goldstandard der kurativen Behandlung des Leberzellkarzinoms sind – je nach Ausdehnung und Vorliegen einer Leberzirrhose – die chirurgische Resektion und die Lebertransplantation. Eine in kurativer Absicht durchgeführte Resektion ist allerdings nur in 20 Prozent der Fälle möglich.

Bei nicht operablen lebereigenen Tumoren kann eine HIFU-Behandlung erwogen werden. Im Gegensatz zu allen anderen lokal ablativen Verfahren müssen keine Applikatoren oder Elektroden perkutan in den Tumor eingebracht werden, woraus sich das potentielle Risiko einer Gefäß- oder Organverletzung ergibt, dieses insbesondere, wenn sich Aszites um das zu behandelnde Organ angesammelt hat. Mit HIFU können daher auch Tumoren in direkter Gefäßnähe bzw. gefäßummauernde Läsionen behandelt werden. Zudem besteht bei dieser nicht-invasiven Prozedur im Vergleich zu anderen lokal ablativen Verfahren keine Gefahr der Tumorzellverschleppung durch den Stichkanal.

Der HIFU lässt sich sehr gut mit anderen Verfahren kombinieren. Im Falle von HCCs gilt dies insbesondere für die Kombination mit der transarteriellen (Chemo)embolisation (TA[C]E). So wurde bei Patienten mit nicht resektablen HCCs eine deutliche Verlängerung der Überlebenszeiten nach der kombinierten Behandlung mit HIFU und TACE berichtet.

Hinsichtlich eines Vergleichs der HIFU-Therapie mit anderen lokal ablativen Verfahren fehlen derzeit noch randomisierte, kontrollierte Studien nach Europäischen Standards. Bisher wurde retrospektiv gezeigt, dass bei Patienten mit rezidivierendem HCC HIFU bzw. RFA ähnliche Ergebnisse lieferten. Allerdings gelingt mittels HIFU auch die Behandlung von Tumoren in der Nähe großer Gefäße, was für die RFA oder Mikrowellenablation in vielen Fällen problematisch ist.

Hinsichtlich durch die HIFU-Therapie bedingter Komplikationen berichtet eine zusammenfassende Auswertung von 44 Studien über die Behandlung von Lebertumoren von insgesamt 1.493 Patienten über Hautverbrennungen als häufigste Komplikation. In aller Regel handelt es sich um Verbrennungen Grad I oder II, die unter medikamentöser Therapie abheilten. Hautödeme im akustischen Zugangsweg sowie umschriebene Rippennekrosen können weitere Komplikationen darstellen. Über den Einsatz des HFIU bei anderen Lebertumoren, wie Lebermetastasen und intrahepatischen Gallenwegstumoren, liegen insgesamt wenige publizierte Daten vor.

Vom technischen Aspekt her unterscheidet sich die ultraschall-gesteuerte HIFU-Behandlung (USgHIFU-Behandlung) eines HCC nicht wesentlich vom dem bei Lebermetastasen oder dem intrahepatischen Gallengangskarzinom (CCC). Die Behandlungszeiten eines HCC sind bei gleicher Tumorgröße aufgrund der starken Durchblutung wesentlich länger als bei meist geringer vaskularisierten Metastasen wie etwa kolorektaler Tumore.

Bei der Therapie von Lebermetastasen stehen solche von kolorektalen Karzinomen im Vordergrund. Im Allgemeinen werden singuläre Metastasen bis zu etwa fünf Zentimeter Größe oder Oligometastasen mittels HIFU behandelt. Bei multiplen Metastasen kann HIFU im Einzelfall angewendet werden, wenn zum Beispiel einige Herde auf die medikamentöse Therapie  nicht ansprechen bzw. unter Therapie  wachsen, wobei die anderen Herde unter Therapie rückläufig oder stabil sind.

In der Zusammenschau stellt der hoch-intensive fokussierte Ultraschall eine innovative Therapieoption bei vielen soliden Tumoren dar. Der HIFU ist mit einer insgesamt vergleichsweise sehr geringen Nebenwirkungsrate assoziiert. Nicht jeder Tumor ist einer solchen Therapie zugänglich, wenn aber diese durchgeführt werden kann, profitieren die Patienten in aller Regel von einer Symptomreduktion und einer Tumormassereduktion.

Über die Autoren

Portraitfoto Milka Marinova
Milka Marinova: Priv.-Doz. Dr. med. Dr. rer. nat. 2000 – 2005 Studium der Pharmazie an der Rheinischen Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn. 2006 Approbation als Apothekerin. 2006 – 2012 Studium der Humanmedizin an der Rheinischen Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn. 2012 Approbation als Ärztin. 2012 Promotion in Medizin. 2013 Promotion in Pharmazie. Seit 2012 Ärztin in der Radiologischen Universitätsklinik Bonn. 2018 Fachärztin und Habilitation für das Fachgebiet Radiologie. (Foto: privat)

 

Porträtfoto Prof. Dr.med. Holger Strunk
Holger Strunk: Prof. Dr. med. 1980–1986 Studium der Humanmedizin an der Johann-Wolfgang-Goethe-Universität Frankfurt, Johannes-Gutenberg-Universität Mainz und Philipps-Universität Marburg. 1986 Approbation als Arzt. 1986 Promotion. 1986–1993 Assistenzarzt in der Klinik für Radiologie der Universitätskliniken Mainz. 1988–1989 Fellowship an der Harvard Medical School. 1993 Facharzt. 1994 Habilitation. Seit 1995 Oberarzt in der Radiologischen Universitätsklinik Bonn. 2001 außerplanmäßige Professur. (Foto: Strunk)