Studie: Digitaler Wandel im Gesundheitswesen kommt schneller

Der digitale Wandel im Gesundheitswesen kommt schneller als erwartet. (Foto: kentoh/123rf.com)

Im Gesundheitswesen werden bis 2025 einschneidende Veränderungen zu beobachten sein: Bereits jetzt erweist sich die COVID-19-Pandemie als Treiber und Verstärker von Innovation und Digitalisierung, so eine jetzt veröffentlichte Deloitte-Studie.

In der Studie „Life Sciences & Health Care Predictions 2025“ hat Deloitte untersucht, inwiefern bereits jetzt Disruptionen im Gesundheitssystem zu verzeichnen sind und welche Chancen beziehungsweise Risiken sich daraus für die einzelnen Akteure ergeben. Nicht nur die Corona-Pandemie wirkt als Treiber. Auch das Krankenhauszukunftsgesetz und innovative Kollaborationen fördern laut Studie den digitalen Durchbruch im Gesundheitssystem. Gleichzeitig steigt der Anpassungsdruck bei ambulanten und stationären Gesundheitsanbietern.

„Die Corona-Pandemie hat die wachsende Lücke zwischen der Nachfrage nach Gesundheitsdienstleistungen auf der einen und dem Mangel an Fachpersonal und Ressourcen auf der anderen Seite noch einmal offengelegt“, sagt Ibo Teuber, Partner im Bereich Health Care bei Deloitte. Ein wesentlicher Schlüssel, um diese Lücke zu schließen, sei eine breite Anwendung digitaler Technologien.”

Patient im Mittelpunkt

In der künftigen Versorgungswelt rückt der Patient in den Mittelpunkt. Diagnosen und Behandlungsentscheidungen werden von Kliniken und Behandlern auf einer prädiktiven, präventiven, personalisierten und partizipativen Medizin basieren. Dieser patientenzentrierte Ansatz bietet nach Einschätzung der Studienautoren viele Chancen. Sie reichen von Produktivitäts- und Kostensteigerungen bis hin zu einer effizienteren Bedarfsprognose, Bestandsverwaltung, Logistikoptimierung und Personalplanung. Ein zentraler Baustein in dieser Transformation wird die im Juli 2021 verpflichtend einzuführende elektronische Patientenakte sein.

„Ab diesem Jahr können Patienten mit der elektronischen Patientenakte ihre Daten mit ihrem Behandler selbstbestimmt teilen und eine digitale Informationsbasis schaffen“, so Ibo Teuber. Eine weitere wichtige Entwicklung wird seiner Einschätzung nach das Verschreiben digitaler Gesundheitsapplikationen sein. Angebote für einen gesünderen Lebensstil, primäre und sekundäre Prävention sowie Früherkennung können direkt vom Behandelnden verschrieben und von den Krankenversicherungen vergütet werden.

„Vor allem die sektoren-, technologie- und fachbereichsübergreifende Interoperabilität aller Daten wird in Zukunft komplett neue medizinische Standards setzen“, betont Teuber. Für die Ausbreitung einer integrierten und vernetzten Versorgung werden das Internet of Medical Things (IoMT) sowie Technologien im KI-, Nano- und Quantencomputing-Bereich in Kombination mit 5G eine zentrale Rolle spielen.

Tech-Unternehmen drängen verstärkt in den Markt

Bis 2025 werden sich internationale Tech-Giganten im Gesundheitsmarkt weiter etablieren. Sie werden sich mit ihrem digitalen Know-how einen direkten Zugang zu Patienten verschaffen, so ein weiteres Ergebnis der Studie. Ihr Ziel dieser Unternehmen ist es, ein „nahtloses“ Patientenerlebnis mit radikal interoperablen Daten und offenen, aber sicheren Plattformen zu schaffen.

Grenzen verschwimmen

„Neue Player im Ökosystem werden die Grenzen im Gesundheitssektor zunehmend verschwimmen lassen. Vor allem Krankenhäuer müssen sich jetzt entscheiden, wo sie zukünftig stehen wollen“, sagt Alexander Morton, Partner bei Deloitte. „Bereits 2019 hatten fast 29 Prozent der Kliniken in Deutschland einen Jahresverlust zu verzeichnen. Seit dem Ausbruch von COVID-19 sind die Auslastungen in vielen Krankenhäusern deutlich zurückgegangen. Zwar hat der im Zuge der Pandemie aufgespannte Rettungsschirm den Strukturwandel zunächst aufgehalten, allerdings werden viele Krankenhäuser 2021 nicht das Erlösniveau von 2019 erreichen.“ Sie müssten sich und ihre Geschäftsmodelle neu erfinden, um weiterhin erfolgreich zu bestehen.

Krankenhäuser unter Druck

Die Entstehung neuer Versorgungsmodelle sowie der Rückgang der klassischen stationären Versorgung setzt ambulante und stationäre Gesundheitsanbieter unter Druck: „Auf Basis unseres Future of Health-Prognosemodells gehen wir davon aus, dass in den kommenden Jahren von einem durchschnittlichen jährlichen Verlust von ca. einem Prozent der stationären Patientenzahlen ausgegangen werden muss. 2025 wäre so mit rund 19 Millionen stationären Fällen zu rechnen, das heißt einem Rückgang um fünf Prozent bzw. ca. 920.000 Fällen im Vergleich zu 2019“, so Morton. Der Rückgang des konventionellen stationären Leistungsgeschehens und der Investitionsdruck in neue Technologien, Strukturvorgaben und Fachkräfte stellen Krankenhäuser nach Ansicht des Experten vor große Herausforderungen.”

Neue Finanzierungs- und Vergütungsmodelle pushen Transformation

Um fehlende Investitionsmöglichkeiten und Personalmangel im Gesundheitssektor zu kompensieren, werden viele Versorger auch von staatlichen finanziellen Mitteln abhängig sein. So schafft das Anfang des Jahres in Kraft getretene Krankenhauszukunftsgesetz neue Voraussetzungen im Gesundheitssektor: Die finanziellen Mittel von Bund und Ländern ermöglichen Investitionen für moderne Notfallkapazitäten sowie Maßnahmen zur Digitalisierung und zur Verbesserung der IT-Sicherheit.

Auch neue Vergütungssysteme werden laut Prognose im Jahr 2025 zur Verfügung stehen müsse, um digitale Gesundheitsangebote erfolgsabhängig abrechnen zu können. Vor allem datengesteuerte Finanzierungsmodelle treiben die Innovation im gesamten Gesundheitsökosystem voran. Sie werden flexibel und ergebnisorientiert gestaltet sein. So lassen sich dann auch Telemedizin und digitale Therapiemöglichkeiten pro Patientennutzung vergüten. Für die Studienautoren eine wichtige Entwicklung für die Wertschöpfungskette im gesamten Ökosystem.