Stringente nationale E-Health-Strategie gefordert

Bei der Digitalisierung der Gesundheitsversorgung gilt Dänemark als Vorbild für Deutschland. Im Interview mit mednic.de erläutert Morten Elbæk Petersen, wie E-Health in Dänemark funktioniert und welche Vorteile die Digitalisierung für Patienten, Ärzte und andere Akteure des Gesundheitswesens hat. Petersen ist CEO des Gesundheitsportals sundhed.dk und hat den Digitalisierungsprozess in Dänemark entscheidend mit vorangetrieben.

Mednic.de: Bitte beschreiben Sie das Gesundheitsportal sundhed.dk. Was leistet es? Was sind die Besonderheiten? Inwiefern profitieren Patienten, inwiefern Ärzte und andere Akteure des Gesundheitswesens?

Morten Elbæk Petersen: Dänemark ist geprägt von einer vertrauensvollen Kultur, in der die Bevölkerung Offenheit und Transparenz erwartet und Gesundheit eine persönliche Angelegenheit ist. Da es hierbei um sensible Daten geht, sind die Bürgerinnen und Bürger auf die Behörden und ihren vertrauenswürdigen Umgang mit persönlichen medizinischen Daten angewiesen und verlassen sich auch darauf.

Das ist einer der Gründe, warum die Zahl der Unique Visitors auf dem nationalen Gesundheitsportal in Dänemark sundhed.dk stetig steigt und bis 2017 rund 1,7 Millionen Unique Visitors pro Monat von 5,8 Millionen Einwohnern erreicht hat. Sundhed.dk bietet Gesundheitsinformationen und Zugang zu persönlichen Gesundheitsdaten für Bürger sowie für Angehörige medizinischer Berufsgruppen.

Das Portal wurde 2003 als Teil einer übergreifenden nationalen Strategie gegründet und wird von den Regionen, den Gemeinden und dem Gesundheitsministerium durch Steuern finanziert. Das Portal baut auf der Idee eines zentralen „Zugangspunkts“ auf und verwendet Informationen und Daten, die bereits im normalen Arbeitsablauf des Gesundheitswesens erstellt wurden.

Von Anfang an hat sundhed.dk eine wichtige Rolle dabei gespielt, die Hausärzte in ihrer Funktion als erste Anlaufstelle zu unterstützen. Um Krankenhausaufenthalte von Bürgern reduzieren zu können, konzentrieren sie sich auf Prävention und Behandlung zu Hause. Eigentlich ist das die wirtschaftliche Idee hinter unserem Gesundheitsportal.

Alle dänischen Staatsbürger ab 15 Jahren können sich mit einer digitalen Signatur in Verbindung mit der Sozialversicherungsnummer bei „Meine Gesundheit” im Portal anmelden. Von allen Plattformen und Geräten aus sind die Informationen und Daten rund um die Uhr abrufbar.

Der Bereich „Mein Gesundheitszustand” bietet Zugang zu den persönlichen Gesundheitsdaten: Übersicht über die persönliche Medikation, Informationen aus den elektronischen Krankenakten, Röntgenbeschreibungen, Scans, Laborwerte, Impfdaten und die historische Übersicht über die Behandlungen. Diese Informationen reichen zurück bis ins Jahr 1977. Anwender können übrigens auch Verwandten oder einer anderen vertrauenswürdigen Person die Berechtigung erteilen, auf die eigenen persönlichen Daten zuzugreifen.

Mednic.de:  Warum ist die Digitalisierung Ihrer Ansicht nach wichtig für das Gesundheitswesen? Wo liegen die Vorteile?

Morten Elbæk Petersen: Die Digitalisierung des Gesundheitswesens sichert die Eigenverantwortung der Patienten und macht die Bürger zu gleichberechtigten Partnern im Dialog mit den Angehörigen der Gesundheitsberufe.

Mit anderen Worten: Patientenbefähigung ist hier in Dänemark als „Rückgabe von Daten an die Bürger“ zu verstehen. Die Gesundheitsfürsorge ist ein freies und gemeinsames Gut und wird durch Steuergelder finanziert. Daher wird zum Wohle der Bürgerinnen und Bürger sinnvoll eingesetzt.

Mednic.de: Wäre ein Portal wie sundhed.dk Ihrer Einschätzung nach auch in Deutschland realisierbar?

Morten Elbæk Petersen: Ja, ich denke, ein solches Portal wäre auch in Deutschland möglich. Dabei müssten allerdings selbstverständlich die Rahmenbedingungen in Deutschland berücksichtigt werden.

Generell ist es bei der Entwicklung von eHealth-Lösungen ein guter Ansatz, Mehrwerte zu schaffen. Die erfolgreiche Implementierung von sundhed.dk setzt auf verschiedene Schlüsselfaktoren, die auch in Deutschland anwendbar sein könnten: So ist eine stringente nationale Strategie für die elektronische Gesundheitsfürsorge meiner Einschätzung nach ebenso wichtig wie eine gesicherte, öffentliche Finanzierung. Ich würde darüber hinaus noch eine weitere Lehre aus dem dänischen Modell ziehen. Von Anfang hatte sundhed.dk ein festes Ziel vor Augen: die Unterstützung der Patientenbefähigung und der Arbeitsabläufe von Angehörigen medizinischer Berufe, insbesondere des niedergelassenen Arztes. Das hat auch eine wichtige wirtschaftliche Komponente.

Das dänische Portal bildet eine einzige Anlaufstelle, die Informationen von lokalen Systemen kumuliert anzeigt. Sundhed.dk generiert, sammelt oder speichert keine Daten – es ist vielmehr eine integrative Plattform, die Daten auf einen Blick anzeigt, sobald sich der Nutzer anmeldet.

Besonders wichtig für den Erfolg ist die vertrauensbasierte Kultur in Dänemark und das Vertrauen in den offenen Zugang zu personenbezogenen Daten. Hier schlage ich ein schrittweises Vorgehen vor, damit die die deutschen Bürgerinnen und Bürger sich sicher fühlen und die Vorteile des Datenaustauschs und der Transparenz erfahren.

Mednic.de: Was gilt es bei der Realisierung von ehealth-Projekten besonders zu beachten? Welche Rolle spielt in diesem Zusammenhang das Thema Sicherheit?

Morten Elbæk Petersen: Ländern, die vom Konzept von sundhed.dk inspiriert sind, empfehle ich, die Vorteile der Rückgabe von Daten an die Bürger auf die politische Agenda zu setzen. Dabei gilt es hervorzuheben, dass die Wiederverwendung dieser Daten und die Transparenz die Rolle des Patienten stärken, die Qualität der medizinischen Versorgung verbessern und so zu einem effizienteren Gesundheitswesen beitragen können.

Es ist damit zu rechnen, dass auch in anderen Ländern die Rechtsvorschriften angepasst werden, um den Zugang zu persönlichen Gesundheitsdaten auf legale und sichere Weise zu regeln. Der Datenschutz muss bei den Entscheidungsträgern und in der Kommunikation mit der Öffentlichkeit höchste Priorität haben, um Transparenz und Vertrauen zu schaffen.

Eine weitere Empfehlung ist – wie bereits erwähnt – ein schrittweiser Ansatz zur Umsetzung der Lösungen. Förderung kleiner Pilotprojekte, die in Zusammenarbeit zwischen Angehörigen der Gesundheitsberufe, Nutzern und der Verwaltungsebene in verschiedenen Teilen des Landes in ihren lokalen, innovativen Umgebungen entwickelt werden sollen. Es gilt, diese Pilotprojekte zu evaluieren und sich auf die Vorteile zu konzentrieren, die sie den Bürgern bringen können.

Akteure in diesem Sektor müssen sich auf schwierige Debatten einstellen. Das gilt ganz allgemein und insbesondere im Bereich der Datensicherheit. Mein Rat: Lassen Sie nicht locker, wenn zum Beispiel Angehörige der Gesundheitsberufe Argumente vorbringen, die die wertvollen Gesundheitsdaten geheim halten wollen – und erfinden Sie das Rad nicht neu. Stattdessen einen pragmatischen Ansatz beibehalten und nicht auf technische Quantensprünge warten. Die technische Lösung wird wohl der einfachste Teil der Digitalisierung sein.

Mednic.de:  Bitte beschreiben Sie Ihre Vision: Wie wird das Gesundheitswesen Ihres Landes sich weiterentwickeln?

Morten Elbæk Petersen: Zurzeit baut Dänemark landesweit eine neue Generation von Superkrankenhäusern für spezialisierte Behandlungen auf. Diese Krankenhäuser haben weniger Betten als die Kliniken, die sie ersetzen werden. Deshalb werden wir uns kontinuierlich auf die Prävention konzentrieren müssen. Es bedeutet mehr Fokus auf den Lebensstil, mehr Fokus auf Prävention und vor allem darauf, wie die Digitalisierung ein gutes Leben außerhalb der Krankenhäuser unterstützen und stärken und auch chronisch Erkrankten zu einem besseren Leben verhelfen kann.