Psychologischer Test zur Computerspielsucht

Den nach eigenen Angaben weltweit ersten psychologischen Test zur Untersuchung von Computerspielsucht haben jetzt Forscher der Universität Ulm entwickelt. Der Test ist ab sofort auch in deutscher Sprache verfügbar und steht online zur Verfügung.

Vor Kurzem hat die Weltgesundheitsorganisation (WHO) exzessives Computerspielen als psychische Erkrankung anerkannt. Die Aufnahme der so genannten „Gaming Disorder“ in den Krankheitskatalog der WHO und die damit einhergehende Definition bieten neue Möglichkeiten, gesundheitliche und psychosoziale Auswirkungen von Computerspielsucht zu erforschen. In diesem Kontext haben Forscher um Professor Christian Montag an der Universität Ulm den psychologischen Test entwickelt.

Wer sein Gaming-Verhalten nicht mehr kontrollieren kann, dem Computerspiel Priorität gegenüber anderen Aktivitäten einräumt und an diesem Verhalten trotz negativer Konsequenzen nichts ändert, könnte gemäß WHO-Definition unter Computerspielsucht leiden. Laut WHO kann jedoch erst von Computerspielsucht ausgegangen werden, wenn Betroffene dieses Verhaltensmuster über mindestens zwölf Monate zeigen und es zu schweren Beeinträchtigungen des Familienlebens, der Ausbildung oder etwa der Arbeitsleistung kommt.

Online-Fragebogen nach WHO-Kriterien

Der Online-Fragebogen orientiert sich an den Kriterien der WHO. Er erfasst Gaming-Aktivitäten der vergangenen zwölf Monate bis zum Tag der Erhebung auf einer Skala von eins bis fünf (1 steht für die Selbsteinschätzung „nie“ und 5 bedeutet „sehr oft“).

Der Test steht auf der Online-Plattform www.gaming-disorder.org zur Verfügung. Nach der Beantwortung der Fragen erhalten Probanden eine Rückmeldung zu ihrem Videospielverhalten im Vergleich zu den übrigen Studienteilnehmenden. Zudem können sie mit ihrer Teilnahme können sie auch eine der bisher größten Untersuchungen zur Computerspielsucht nach WHO-Definition unterstützen.

Kulturübergreifender Test

Die Forscher haben ihren neuen „Gaming Disorder Test“ bereits anhand einer Stichprobe aus mehr als 550 jungen Chinesen und Briten überprüft. „Exzessives Videospielen ist schon heute ein ernst zu nehmendes Gesundheitsrisiko in asiatischen Ländern und ein aufkommendes Problem in Europa. Um große, internationale Studien durchführen zu können, haben wir das neue Instrument kulturübergreifend konzipiert und in China sowie Großbritannien getestet“, erläutert Christian Montag, Heisenberg-Professor sowie Leiter der Abteilung für Molekulare Psychologie an der Universität Ulm.

Die Stichprobe umfasste 236 junge Chinesinnen und Chinesen, die an einer Universität in Beijing studierten, sowie 324 britische Studierende aus dem Großraum London und aus den East Midlands. Das Durchschnittsalter der Probanden lag bei 23 Jahre. Nach Abschluss der Erhebung haben die Forschenden mit komplexen statistischen Verfahren überprüft, ob sich das Instrument zur Messung der Computerspielsucht eignet („Validität“) und ob es das Konstrukt zuverlässig misst („Reliabilität“).

Der Test zeigte, dass sich das Vorkommen der Computerspielsucht nach WHO-Kriterien zwischen beiden nationalen Gruppen nicht signifikant unterschied. Im Mittel gaben die Studierenden an, 12 Stunden in der Woche zu spielen. Dabei verbringen sie fast die Hälfte dieser Zeit (46 Prozent) am Wochenende alleine vor dem Computer oder sonstigen mobilen Endgeräten. Insgesamt 36 Teilnehmende (6,4 Prozent) haben nach eigener Aussage großen Problemen im Alltag aufgrund ihres Spielverhaltens und könnten somit die Diagnosekriterien der WHO erfüllen.

Die Forscher sind zufrieden mit dem Testlauf: „Der Gaming Disorder Test scheint geeignet, um die Häufigkeit und, in Kombination mit anderen Fragebögen, auch Effekte der Computerspielsucht in großen, kulturübergreifenden Gruppen nach den vorgeschlagenen WHO-Kriterien festzustellen“, so Montag. Künftig müsse der neue Fragebogen noch an Patientenstichproben validiert werden.

Größte Computerspielsucht-Untersuchung geplant

Aktuell plant die Forschergruppe die bislang größte Untersuchung zur Computerspielsucht. An diesem Test sollen sich möglichst Tausende von Teilnehmern beteiligen. Daher stejt der Gaming Disorder Test Interessierten ab sofort in deutscher und englischer Sprache online zur Verfügung. 

Eportler gesucht

Weitere Probanden sollen unter anderem über die „Electronic Sports League“ (ESL) rekrutiert werden, dem nach eigenen Angaben weltweit größten Esports-Anbieter mit engen Verbindungen zur „Gaming Community“. Rodrigo Samwell, Marketingverantwortlicher von ESL, betont, dass das Esports-Unternehmen zur verantwortungsvollen Nutzung von Computerspielen beitragen möchte und Nutzern dabei helfen will, ihr eigenes Spielverhalten zu reflektieren. Daher unterstütze ESL die wissenschaftliche Studie. 

Die Forscher erhoffen sich Informationen dazu, ab welchem Punkt Computerspielen zum (gesundheitlichen) Problem wird, und welche Faktoren zum Entstehen der „Gaming Disorder“ beitragen. Aus diesem Grund werden auch soziodemographische Merkmale, die individuelle Persönlichkeit und Motivation der Gamer untersucht.

An der Studie beteiligt waren Wissenschaftler der Medizinischen Fakultät der University of Tasmania (Australien), der Birkbeck University in London, der chinesischen Beijing University sowie der University of Electronic Science and Technology of China in Chengdu. Aus Deutschland wirkten Forschende der Universitäten Ulm und Köln maßgeblich mit.