Pflege: „Der Weg der Digitalisierung ist alternativlos“

Andrea Schmidt-Rumposch ist Pflegedirektorin und Vorständin der Universitätsmedizin Essen. (Foto: Universitätsmedizin Essen)

Andrea Schmidt-Rumposch wurde vom Bundesverband Pflegemanagement als Pflegemanagerin des Jahres 2023 ausgezeichnet. Im mednic-Interview erläutert die Pflegedirektorin und Mitglied des Vorstands der Universitätsmedizin Essen, warum Digitalisierung die Rahmenbedingungen für Pflegekräfte verbessern kann und die Akademisierung der Pflege immer wichtiger wird.

mednic.de: Warum spielt das Thema Digitalisierung auch in der Pflege eine immer bedeutendere Rolle? 

Schmidt-Rumposch: Mit Blick auf die demografische Entwicklung ist der Weg der Digitalisierung alternativlos. Es ist klar, dass in Zukunft immer weniger Beschäftigte in der Pflege immer mehr Menschen pflegerisch versorgen werden müssen. Das heißt, wir müssen insbesondere bei den pflegefernen Tätigkeiten für Entlastung bei den Beschäftigten sorgen, damit sie wieder mehr Zeit für den direkten Patientenkontakt haben. Gerade im Hinblick auf den Servicebereich und in Logistik-Prozessen ist mittels digitaler Lösungen noch viel Luft nach oben. Hier sind wir noch nicht da, wo wir eigentlich hinwollen.

mednic.de: Gemeinsam mit der FOM haben Sie den neuen Studiengang „Pflege und Digitalisierung“ konzipiert. Worum geht es dabei und warum ist eine solche Form der Fortbildung wichtig? 

Schmidt-Rumposch: Das Studium wird seit dem Wintersemester 2020/2021 angeboten und kann sowohl berufsbegleitend als auch ausbildungsintegrierend absolviert werden. Es ist also für alle konzipiert, die Interesse daran haben, sich weiterzuentwickeln und ihre digitalen Kompetenzen zu erweitern, sowohl ganz praktisch als auch theoretisch. So stehen Schulungen zu digitalen Pflegetools und IT-Anwendungen genauso auf dem Lehrplan wie die Terminologie der digitalen Pflege, digitale klinische Prozesse, digitale Pflege-Evaluation und Digital Changemanagement.

Ich denke, es ist wichtig, dass Beschäftigte in der Pflege neben pflegefachlichen Entwicklungsmöglichkeiten auch die Möglichkeit zum Erwerb erweiterter, digitaler Kompetenzen erhalten. Dazu möchten wir mit dem Studiengang „Pflege und Digitalisierung“ beitragen. Parallel dazu haben wir übrigens auch eine W2-Professur Pflegewissenschaft mit Schwerpunkt Interprofessionalität an der medizinischen Fakultät der Universität Duisburg-Essen besetzt.

Ich wünsche mir von der Politik, dass man bei allen anstehenden Entscheidungen zu Versorgungsthemen und zur Profession Pflege endlich auch mit Vertretern der Profession Pflege spricht.

Andrea Schmidt-Rumposch

mednic.de: Weiterbildung ist auch in der Pflege sicherlich wichtig. In der Praxis steht dieser Wunsch jedoch auch einer sehr hohen Arbeitsbelastung der Pflegekräfte gegenüber. Welche Anreize müssen geschaffen werden, damit solche Weiterbildungen trotzdem genutzt werden? Was wünschen Sie sich von der Politik? 

Schmidt-Rumposch: Ganz entscheidend ist es aus meiner Sicht, dass Fort- und Weiterbildungen regelhaft eingeplant werden sollten und regelmäßig Fördergespräche zur persönlichen Weiterentwicklung stattfinden. Das Thema Fortbildung muss ganz aktiv von der Pflege- und Unternehmensleitung vorangetrieben werden. Das geht allerdings nicht einfach so nebenbei. Die dafür aufgewendete Zeit ist jedoch gut investiert. Denn die zusätzlich erworbenen Kompetenzen kommen am Ende immer auch Patientinnen und Patienten zugute. Eine hohe fachliche Kompetenz und eigenverantwortliches Handeln am Arbeitsplatz wirken sich zudem positiv auf die Arbeitszufriedenheit aus.
Von der Politik wünsche ich mir, dass man bei allen anstehenden Entscheidungen zu Versorgungsthemen und zur Profession Pflege endlich auch mit Vertretern der Profession Pflege spricht. Wir müssen über die Aufgabenneuverteilung, sprich über erweiterte Aufgaben- und Verantwortungsbereiche in der Pflege reden. Es ist aus meiner Sicht längst überfällig, die Tätigkeitsfelder neu zu definieren und gesetzlich zu verankern. Wo sind Versorgungslücken und wie können wir diese durch einen sinnvollen Qualifikations-Mix und die zielgerichtete Kompetenzförderung schließen? So sollte nicht zuletzt auch über die Berufszulassung gekoppelt an Fortbildungsmaßnahmen gesprochen werden. 

mednic.de: Inwieweit kann Digitalisierung dazu beitragen, den Fachkräftemangel zu reduzieren? 

Schmidt-Rumposch: Digitale Lösungen können nachhaltig zur Entlastung des Personals beitragen und dafür sorgen, dass wieder mehr Zeit für die direkte Patientenversorgung bleibt. Somit können sie einen Beitrag dazu leisten, den Fachkräftemangel zumindest abzumildern. Nicht zu unterschätzen ist zudem der positive Effekt auf die Personalbindung. Beschäftigte, die mehr Zeit für den direkten Patientenkontakt haben, sind auch zufriedener mit ihrer Tätigkeit, was es unwahrscheinlicher macht, dass sie sich beruflich umorientieren. 

mednic.de: Warum ist das Thema Nachhaltigkeit auch in der Pflege immer wichtiger? 

Schmidt-Rumposch: Das gilt gleich in mehrfacher Hinsicht, egal in welche Richtung man den Begriff Nachhaltigkeit nun versteht. Zum einen spielt der Klimaschutz eine immer wichtigere Rolle in unserer Gesellschaft und damit auch in der Pflege. Menschen wünschen sich immer häufiger einen Arbeitsplatz, an dem möglichst schonend mit den Ressourcen umgegangen wird. Hinzukommt, dass Klimaschutz auch Gesundheitsschutz bedeutet – eine originäre Aufgabe der Pflege. Und schließlich stellen wir gerade bei jungen Menschen fest, dass es bei der Berufswahl immer wichtiger wird, einer sinnstiftenden Tätigkeit nachzugehen. Dafür sind die Pflegeberufe natürlich prädestiniert.

mednic.de: Wir danken Ihnen für dieses Gespräch, Frau Schmidt-Rumposch!

Auch interessant: