Laut einer Studie der Universität Bielefeld hat mehr als die Hälfte der Deutschen erhebliche Mühe, im Gespräch mit einem Mediziner die Fülle gesundheitsrelevanter Information zu verstehen und daraus Entscheidungen für die eigene Gesundheit abzuleiten. Die gleiche Befragung hatte zuvor in anderen Ländern deutlich höhere Kompetenzwerte ergeben – zum Beispiel in den Niederlanden, Dänemark, Irland und in Polen.
Nach Einschätzung von Bundesgesundheitsminister Hermann Gröhe ist dieser Sachverhalt problematisch: „Das muss alle Verantwortlichen im Gesundheitswesen aufrütteln.“ Zwischen neun und 15 Milliarden Euro gehen nach Schätzungen seines Hauses jährlich verloren, weil die Kommunikation zwischen Ärzten und Patienten nicht ausreichend funktioniert. Schlecht informierte Patienten folgen deutlich seltener dem Rat ihres Arztes. Eine Auswertung von mehr als 100 Studien ergab, dass sich Patienten mehr als doppelt so häufig an die Therapieempfehlungen des Arztes halten, wenn dieser die Therapie und deren Ziele verständlich kommuniziert.
Unrealistische Patientenforderungen?
Dem Patienten einen Befund und eine Therapie verständlich zu erläutern – diese Kunst beherrschen offenbar nicht alle Mediziner: Über 30.000 Patienten haben in den vergangenen sechs Jahren den kostenlosen Service unter washabich.de genutzt, bei dem 200 Mediziner ehrenamtlich Befunde in verständliches Deutsch übersetzen. Viele Heilberufler sehen die Kommunikation „auf Augenhöhe“ mit den Patienten aber auch kritisch: Laut einer Umfrage der Ärztezeitung im Jahr 2012 beklagten 48 Prozent der Ärzte, dass Patienten ihnen Leistungen abverlangten, die nicht erbracht werden durften.
Hauptstadtkongress thematisiert Patientenkommunikation
Das Thema „Der mündige und gut informierte Patient im deutschen Gesundheitswesen – Zukunftsvision oder Fata Morgana?“ diskutieren auf dem Hauptstadtkongress in Berlin: Prof. Dr. Matthias Schneider, Direktor der Poliklinik und Funktionsbereich für Rheumatologie des Universitätsklinikums Düsseldorf, Prof. Dr. Rita Süssmuth, Bundestagspräsidentin a. D. und Schirmherrin der European Patients Academy on Therapeutic Innovation, Ulla Ohlms, Vorstandsvorsitzende der Stiftung Patients’ Tumor Bank of Hope, Eva Maria Streppel, Bloggerin und Morbus-Crohn-Betroffene, Jutta Ulbrich, Director Patient Engagement bei AbbVie, und Markus Wartenberg, Leiter des Bereichs GIST/Sarkome von Das Lebenshaus.
Der „Hauptstadtkongress Medizin und Gesundheit“ findet vom 20. bis 22. Juni 2017 im City Cube Berlin statt.