Orthopädietechnik 4.0 mit 3D-Scan-Technologie

Äußerste Präzision ist bei der Herstellung von Prothesen und Orthesen notwendig. Das niederländische Unternehmen Orthin setzt hier auf 3D-Scan-Technologie, was Kosten und Aufwand reduziert, den Patienten aber optimale Produkte bietet.

Jeder Patient hat individuelle Bedürfnisse – besonders wenn es um Prothesen und Orthesen geht. Ein Skoliose-Korsett muss sich perfekt an den Körper anpassen, um maximalen Tragekomfort zu bieten. Und eine Knieprothese muss so sitzen, dass optimaler Bewegungsfreiheit nichts im Weg steht. Folglich sind hier äußerste Präzision und Flexibilität bei der Herstellung gefragt. Traditionelle Verfahren gelten dabei als sehr zeit- und kostenintensiv, sind dabei jedoch nicht immer genau und teils starr in der Anwendung. Das niederländische Unternehmen Orthin Ltd., Teil der Unternehmensgruppe Achilleon Zorg, greift daher seit knapp zwei Jahrzehnten auf 3D-Scan-Technologie zurück. Mit den 3D-Scannern des Herstellers Artec 3D konnte die Firma Kosten und Aufwand reduzieren und ihre Prozesse flexibler und zielgerichteter gestalten. Die Patienten werden mit den digital erstellten Prothesen optimal versorgt.

Maßanfertigung orthopädischer Produkte

„Durch den Einsatz von Artec Eva konnten wir nicht nur die Produktivität steigern, sondern auch Zeit und Kosten für die Herstellung enorm senken. Eine Gipsform anhand von Scans anzufertigen, ist deutlich weniger arbeitsintensiv als die herkömmliche Vorgehensweise,“ erläutert Karel Wilbrink, Orthopädietechnik-Mechaniker bei Orthin.

Orthin legt seinen Schwerpunkt auf die Maßanfertigung orthopädischer Produkte wie Knieorthesen oder Korsetts für Skoliosepatienten. Die Entscheidung für eine Umstellung auf die 3D-Scanner des luxemburgischen Unternehmens Artec 3D fiel nicht schwer: Der gesamte Herstellungsprozess ist jetzt schneller, kostengünstiger und qualitativ hochwertiger. Artec 3D ist seit Jahren als führender Hersteller von 3D-Scantechnologie bekannt und unterstützt ein breites Spektrum an Branchen bei der Optimierung ihrer Design- und Produktionsmethoden.

Kosten und Aufwand reduziert

Vor der Einführung von Artec Eva griff Orthin für die Herstellung von Prothesen und Orthesen auf herkömmliche Gipsformen zurück. Das Verfahren beinhaltete mehrere Schritte: Zuerst musste vom betroffenen Körperteil des Patienten oder von seiner bisherigen Prothese mit Gips eine Kopie erstellt werden. Im zweiten Schritt wurde mithilfe von Maßbändern und Messschiebern die Geometrie des Objekts per Hand erfasst. Die so gewonnenen Messdaten wurden mit zweidimensionalen Zeichnungen und Fotos des kopierten Objekts kombiniert, um schließlich das Endprodukt zu formen. Dieser manuelle Prozess war nicht nur zeitaufwändig, er ließ auch viel Raum für menschliche Fehler. Mangelhafte Ergebnisse kamen dadurch vor. Durch Artec Eva wurde dieses Verfahren komplett überflüssig. Der mobile Handscanner Eva nimmt Bilder innerhalb kürzester Zeit auf und erfasst dabei Objekte verschiedenster Größe und Komplexität in Echtzeit. Die 3D-Daten lassen sich danach digital mit der Software Artec Studio bearbeiten. So steigt nicht nur das Niveau der Maßgenauigkeit, sondern auch des Datenwertes. Laut Orthin konnte durch den Einsatz von Artec Eva die für das Design und die Herstellung von Prothesen erforderliche Zeit, der Arbeitsaufwand und die Kosten um enorme 90 Prozent reduziert werden.

Weniger Fehler, mehr Flexibilität

Artec Eva bietet dem Unternehmen und seinen Kunden zwei große Vorteile. Vorteil eins: die sinkende Fehlerquote. Durch die Eliminierung fehlerträchtiger, von Hand vorgenommener Messungen steigt die Genauigkeit erheblich. Gleichzeitig werden zahlreiche Messgeräte und Werkzeuge überflüssig. Artec Eva bietet eine rationalisierte Lösung, die durch simples „Point and Shoot“ eine Vielzahl von Problemen von vornherein ausschließt. Der Scanner erfasst die Geometrie mit einer Bildfrequenz von 16 fps und gibt hochauflösende Bilder mit leuchtenden Farben und Texturen aus. Vorteil zwei: die Portabilität. Mit einem Gewicht von nicht einmal zwei Kilo ist Artec Eva ein echter Handscanner. Ein integrierter Akku mit sechs Stunden Laufzeit ermöglicht einen vom Stromnetz unabhängigen Einsatz. Da Artec Eva auch mit Tablets kompatibel ist, sind der Mobilität kaum Grenzen gesetzt. Für die Kunden von Orthin bedeutet dies einen entscheidenden Vorteil: Sollten sie gesundheitlich nicht zu einem Besuch in der Orthin-Praxis in der Lage sein, kann der Scan auch bei ihnen zu Hause vorgenommen werden.

Karel Wilbrink erläutert, wie sehr Artec Eva Orthins Arbeitsweise verändert hat: „Wir sind heute viel flexibler“, sagt er. „Der Kunde kann an dem Ort gescannt werden, der sich am besten eignet. Dies kann überall sein. Zusätzlich zum Scan nehmen wir die individuellen Patientenwünsche auf. Nach unserer Rückkehr in die Praxis werden die Rohdaten auf den internen Server überspielt und als stl-Datei gespeichert. Dann erstellen wir mit unserer orthopädischen Software eine Gipsform. Das Endprodukt kann auch gefräst oder mittels 3D-Druck hergestellt werden.“

Orthin betont, dass für das Scannen mit Artec Eva im Unterschied zur früheren Vorgehensweise kaum Körperkontakt erforderlich sei. Das Arbeiten mit Gips ist zeitaufwändig und mit Schmutz verbunden. Manche Patienten, insbesondere Kinder, empfinden das Verfahren sogar als „unangenehm, belastend und einschüchternd“, so Wilbrink. „Das Scannen dagegen ist sauber, schnell und erfolgt meist ohne physischen Kontakt.“

Präzision durch Nachbearbeitung

Nachdem die 3D-Bilder aufgenommen wurden, schicken die Techniker sie durch die Nachbearbeitungstools von Artec Studio. Die geschulten Techniker bei Orthin haben sich für eine differenzierte Nachbearbeitung in mehreren Stufen entschieden. Wilbrink erklärt: „Wir führen alle nötigen Schritte durch und richten die verschiedenen Scans korrekt aus, bevor wir die globale Registrierung starten. Dann folgt je nach Bedarf die passende Fusion. Da die Patienten während der Aufnahme nicht immer stillhalten, liegen uns oft unterschiedliche Formenvarianten vor, und die Scans lassen sich nicht präzise ausrichten. Hier besteht die Möglichkeit einer sogenannten nichtstarren Ausrichtung, bei der die zweite Form an die erste angepasst wird. Über Optionen wie dem Defeature-Tool ist eine weitere Feineinstellung möglich. Zu guter Letzt richten wir mit dem Positionierungstool im Editor-Fenster die Position unserer Orthose oder Prothese am Nullpunkt des Raums aus.“

Vorreiterrolle durch den Einsatz von 3D

Das Unternehmen hat sich seinen Pioniergeist bewahrt und nutzt Artec Eva, um die Entwicklung orthopädischer Produkte stetig voranzutreiben. „Inzwischen sind wir in der Lage, das Endprodukt mit den ersten Scandaten zu vergleichen, um Größe und Form zu überprüfen und gegebenenfalls zu korrigieren“, erläutert Wilbrink. „Durch diese Gegenprobe vermeiden wir auf der einen Seite Fehler und erhalten auf der anderen Seite einen selbstlernenden Arbeitsprozess.“ Mittels Reverse Engineering kann Orthin die Messunterschiede zwischen Endprodukt und erstem Scan auswerten und generiert so einen noch präziseren Datensatz.

Technologieeinsatz positiv bewertet

Orthins innovative Techniken haben sich herumgesprochen, erzählt Wilbrink. „Sowohl Orthopäden als auch Reha-Ärzte in den Krankenhäusern, in denen wir tätig sind, loben unsere 3D-Produkte. Unser Wissen und unsere Erfahrung im 3D-Bereich werden so geschätzt, dass uns das Universitätsklinikum Groningen (UMCG) gebeten hat, gemeinsam mit seiner orthopädischen Abteilung ein chirurgisches Instrument für die Kreuzbandrekonstruktion zu entwickeln. Die EU hat hierfür bereits Fördermittel bereitgestellt.“