Wie lassen sich Mensch und Technik auf fundamental neue Art kombinieren? Das herauszufinden, hat sich das neu gegründete Zentrum für Bionic Intelligence Tübingen Stuttgart (BITS) zur Aufgabe gemacht und will vollkommen neuartige Hilfsmittel für Patientinnen und Patienten schaffen.
Im neuen Zentrum forschen Wissenschaftler und Wissenschaftlerinnen der Universität Stuttgart, Universität Tübingen sowie des Max-Planck-Instituts für Intelligente Systeme und des Max-Planck-Instituts für biologische Kybernetik an intelligenten bionischen Systemen. Diese Systeme sollen helfen, bestimmte Erkrankungen des Nervensystems besser zu verstehen und zu behandeln. Das soll Vorteile für Mediziner und Patienten haben: Die Diagnose soll genauer, die Therapie effizienter und der Krankheitsverlauf für Patienten erträglicher werden.
Bionic: Smarte und individuelle Hilfsmittel
Bereits heute gibt es zwar technische Assistenzsysteme wie Orthesen oder Kommunikationshilfen. Diese Systeme können sich jedoch nicht vollständig an die Bedürfnisse der Patienten oder Erfordernisse der Umgebung adaptiv selbst anpassen, um Einschränkungen zu kompensieren oder ausgefallene Körperfunktionen wiederherzustellen. Hier sollen in interdisziplinären Projekten entwickelte und individuell zugeschnittene Hilfsmittel zukünftig helfen.
„Wir wollen die Grenzen des bislang Möglichen überwinden“, sagt Professor Syn Schmitt, BITS-Sprecher der Universität Stuttgart. „Mit bionischen Systemen, wie zum Beispiel neuartigen robotischen Prothesen, möchten wir neue intelligente Diagnose- und Therapiemöglichkeiten und echte Unterstützung im Alltag für Patientinnen und Patienten mit körperlichen und neurologischen Einschränkungen schaffen.“
Perfekte Symbiose zwischen Mensch und Technik
„Das Ziel ist es, Alternativen zu entwickeln, die für die Einzelne und den Einzelnen perfekt funktionieren“, ergänzt Professor Martin Giese, BITS-Sprecher der Universität Tübingen. Die effiziente Verbindung von Mensch und Technik erfordere nicht nur eine optimale Daten- und Informationsverarbeitung, sondern auch die Ausschöpfung intelligenter physikalischer Prinzipien im Menschen und dem technischen System. Die Herausforderung dabei ist, die technischen Komponenten so zu designen, dass sie hocheffizient mit dem Nervensystem und Muskelapparat interagieren und sich flexibel und individuell an die Lage der Patientin oder des Patienten anpassen. „Dazu setzen wir auf funktionelle Materialien, die auf unterschiedliche körperspezifische Stimuli reagieren“, so Professorin Sabine Ludwigs, ebenfalls BITS-Sprecherin der Universität Stuttgart.
Im neuen Zentrum arbeiten daher rund 50 Expertinnen und Experten aus unterschiedlichen Fachgebieten zusammen, etwa der Biomedizin, Neuromechanik, Materialwissenschaft, Soft- und Biorobotik, Physik, Elektrotechnik, Sozialwissenschaft, Ethik sowie Neurowissenschaft und Informatik. „Jede und jeder in unserem Team bringt herausragende Expertise auf dem eigenen Fachgebiet mit“, sagt Schmitt. All dieses Wissen soll nach dem Plan der Forschenden in praktikable Lösungen transferiert werden, die den Menschen auf mehreren Ebenen mit technischen Systemen interagieren lassen. „Wir sind davon überzeugt, dass Betroffene von solchen Systemen profitieren werden und die Wissenschaft zugleich ein besseres Verständnis über den Menschen erlangt“, so Schmitt.
Die Forschungsarbeiten innerhalb des BITS reichen von robotischen Orthesen, die etwa Menschen mit einem Tremor im Alltag unterstützen, über tragbare Sensoren zur Verbesserung der Diagnostik bei Zwangsstörungen bis hin zu sogenannten in-body Mikro- und Nano-Robotern, die Medikamente gezielt ins Gehirn transportieren können oder neue Formen der Hirnstimulation ermöglichen. „Wir möchten im BITS an bisherige Erfolge anknüpfen und unsere Zusammenarbeit stärken” sagt Giese. Ziel sei es, intelligente Systeme dauerhaft in der Medizin, Therapie und Rehabilitation zu etablieren.