Neue Technik für erfolgreichere Reanimation

Das CARL-System. (Foto: Resuscitec GmbH)

Eine neue Technik soll dafür sorgen, dass Menschen nach einem Herzstillstand deutlich erfolgreicher als bislang reanimiert werden. Forschende der Medizinischen Fakultät der Universität Freiburg haben den Therapieansatz entwickelt.

Pro Jahr erleiden rund 50.000 Menschen in Deutschland einen plötzlichen Herzstillstand. Passiert er außerhalb eines Krankenhauses, liegen die Überlebenschancen bei nur zehn Prozent. Zudem leiden Überlebende häufig unter schweren bleibenden neurologischen Schäden. Freiburger Ärzte und Kardiotechniker haben eine spezielle und mobile Herz-Lungen-Maschine zur Reanimation entwickelt, mit der erstmals eine CARL-Therapie (Controlled Automated Reperfusion of the whoLe Body) möglich ist. In einem der ersten Einsätze überlebte eine Person einen Herzstillstand nach rund 120-minütiger Reanimation erfolgreich. Die betroffene Person erlitt keine Schädigung des Gehirns.

„Nach jahrzehntelanger Forschung konnten wir in Freiburg eine neue Behandlungsmethode entwickeln, um die sonst üblichen Schäden nach Herzstillstand und Reanimation zu verringern. Unsere Erkenntnisse und das von uns entwickelte Gerät könnten von großer Bedeutung für die Notfallmedizin sein“, sagt Prof. Dr. Friedhelm Beyersdorf, Ärztlicher Direktor der Klinik für Herz- und Gefäßchirurgie am Universitätsklinikum Freiburg. Diese CARL-Methode beinhaltt neueste Grundlagenforschungen und modernste herzchirurgische Techniken. „Durch innovative eigene medizintechnische Entwicklungen haben wir nun die Möglichkeit, dieses neue Behandlungsprinzip innerhalb und außerhalb der Klinik anzuwenden“, so Beyersdorf weiter. Damit bestehe die Aussicht, dass Menschen nach einem Herzstillstand wesentlich länger und besser als bisher angenommen überleben könnten.

Erfolgsfaktoren für eine Reanimation

Als Folge eines Herzstillstands schwellen die Blutgefäße im Gehirn an und sind dadurch weniger durchlässig für den Gasaustausch. „Durch einen hohen, pulsartigen Blutdruck während der kontrollierten Ganzkörper-Reperfusion (CARL-Therapie) können wir das Gehirn am schnellsten wieder versorgen“, so der Herzchirurg.. Der Sauerstoffgehalt muss niedrig sein und darf nur langsam gesteigert werden, da sonst freie Radikale im Gewebe entstehen. Diese sehr aggressiven Moleküle können dann unter anderem die Mitochondrien angreifen, die als Kraftwerke der Zellen fungieren. Auch eine reduzierte Kalziumkonzentration im Blut hilft, die Mitochondrien zu schützen. Ganz wichtig ist es laut Beyerdorf, die Körpertemperatur der Patienten oder Patientinnen möglichst rasch zu senken, um Stoffwechselprozesse zu verlangsamen.

Komplexe Reanimationstherapie erstmals möglich

Einige der Aspekte waren grundsätzlich bekannt, allerdings nicht in der Detailtiefe. Zudem waren die vielen Therapieaspekte bislang technisch nicht realisierbar. Deshalb haben die Forschenden vor einigen Jahren das Startup Resuscitec gegründet und dort ein Gerät entwickelt, das speziell die komplexen Anforderungen der Reanimation erfüllt: das CARL -System.

„CARL ist unseres Wissens das erste Gerät, das speziell für die Reanimation entwickelt wurde und die komplette Herz-Lungen-Funktion der Patient*innen übernehmen kann. Vor allem aber ist es weltweit das einzige Gerät, das eine Behandlung der Schäden ermöglicht, die durch den Herzstillstand und den damit einhergegangenen Sauerstoffmangel entstanden sind. Möglich ist das, weil wir sofort alle wichtigen Parameter wie etwa Blutwerte messen und steuern können, die für eine erfolgreiche Reanimation notwendig sind“, sagt Prof. Dr. Christoph Benk, Bereichsleiter Kardiotechnik der Klinik für Herz- und Gefäßchirurgie am Universitätsklinikum Freiburg. Eine einzigartige Doppelpumpensteuerung ermöglicht den notwendigen hohen pulsatilen Blutfluss und realisiert einen hohen Blutdruck. Der Sauerstoffgehalt lässt sich präzise steuern. Eine mobile Kühleinheit ermöglicht es, den  Körper der Betroffenen schnell und sicher herunterzukühlen. „Das Gerät ist in Größe und Gewicht so konzipiert, dass es im Rettungswagen Platz findet und direkt zu den Patient*innen getragen werden kann“, so Benk.

Erste CARL-Einsätze mit guten Ergebnissen

In einer ersten Pilot-Studie konnten mit der CARL-Therapie viele der Betroffenen gerettet werden. Dabei war die Reanimationsdauer mit 50 bis 120 Minuten sehr lang. „Bei einem 43-jährigen Patienten war die Reanimation nach 70 Minuten erfolgreich. Der Patient ist wieder voll genesen und arbeitet wieder als Lehrer“, sagt Prof. Dr. Georg Trummer, Bereichsleiter Intensivmedizin der Klinik für Herz- und Gefäßchirurgie am Universitätsklinikum Freiburg. 

In einem anderen Fall erlitt eine Patientin zuhause einen Herzstillstand und wurde nach Ersthelfer-Reanimation per Helikopter ins Universitätsklinikum Freiburg gebracht. „Hier wurde die Patientin sofort an das CARL-Gerät angeschlossen und – nach 120 Minuten – erfolgreich reanimiert“, so Trummer. Die Patientin erlitt keine Schädigung des Gehirns und konnte in ihren Beruf zurückkehren. Nun wollen die Forschenden ihre ersten Ergebnisse absichern. Dazu planen sie im Rahmen des Horizon 2020-Programms der Europäischen Kommission eine Studie an drei europäischen Universitäten.