Krebs: Software verbessert Strahlentherapie

Die Technologie des Medizintechnik-Unternehmens Brainlab ermöglicht es, die Position der Patientinnen während der Bestrahlung submillimetergenau zu bestimmen.
Die Technologie des Medizintechnik-Unternehmens Brainlab ermöglicht es, die Position der Patientinnen während der Bestrahlung submillimetergenau zu bestimmen. (Foto: Charité – Universitätsmedizin Berlin)

Eine neue Software und Tracking-Technologie des Medizintechnik-Unternehmens Brainlab kann Tumore präzise verorten und den Behandlungsstrahl bei der Strahlentherapie submillimetergenau ausrichten. Das kann die Heilungschancen von Patienten verbessern.

Gastbeitrag von Claus Promberger

Strahlentherapie spielt bei der Behandlung von Krebserkrankungen eine wichtige Rolle. Dank einer neuen Technologie könnte sie für die Behandlung bestimmter Tumorarten künftig noch bedeutsamer werden: ExacTrac Dynamic kombiniert Thermaloberflächen- und Röntgentracking in einer modernen Software. Tumore können damit millimetergenau bestrahlt werden, und zwar auch, wenn sie sich bewegen. So eignet sich die Lösung beispielsweise für die Bestrahlung von Tumoren in der Brust, wie das Beispiel der Charité Berlin zeigt. 

Mehr Menschen als je zuvor leben heute mit einer Krebsdiagnose. In industrialisierten Ländern betrifft dies etwa fünf Prozent der Bevölkerung.  Neben operativen Maßnahmen und Systemtherapie, wie Chemo- und Immuntherapie, gilt Strahlentherapie als zentraler Behandlungsbaustein. Für ihren Erfolg ist Präzision entscheidend, um die veränderten Zellen zielgerichtet zu zerstören und gleichzeitig gesundes Gewebe zu schonen. Aber genau das ist bei kleineren Tumoren und solchen, die sich beispielsweise durch die Atmung unregelmäßig bewegen, eine Herausforderung.

Claus Promberger
Claus Promberger ist Vice President Research and Development Radiation Oncology bei Brainlab (Foto: Deutscher Zukunftspreis / Ansgar Pudenz)

Strahlentherapie bei Lungenkrebs: Fehlstrahlung vermeiden

Jährlich erkranken in der Bundesrepublik Deutschland nach Schätzungen des Robert Koch-Instituts etwa 59.700 Menschen neu an Lungenkrebs, davon etwa 34.700 Männer und 25.000 Frauen. Das Bronchialkarzinom ist damit nach Prostatakrebs bei Männern und Brustkrebs bei Frauen die zweithäufigste Krebsart. Die Behandlung erfolgt unter anderem durch Bestrahlung: Der Tumor oder einzelne Metastasen werden gezielt ionisierender Strahlung oder Teilchenstrahlung ausgesetzt, um das Erbgut der Krebszellen zu schädigen und sie am Wachsen zu hindern. Vor allem in Kombination mit immuntherapeutischen Maßnahmen kann der Heilungsprozess so erheblich verbessert werden. 

Um die veränderten Zellen von Lungentumoren zielgerichtet zu zerstören, ist höchste Präzision notwendig. Diese zu erzielen, stellt jedoch eine große Herausforderung dar: Während der Bestrahlung bewegen sich Patient:innen und auch der Tumor wird durch die Atmung unregelmäßig verschoben. Um dennoch sicherzugehen, dass alle veränderten Zellen erfasst werden, wird üblicherweise ein rund um den Tumor festgelegter Sicherheitsbereich (ein sogenannter „Motion Envelope“) bestrahlt, der den gesamten Raum umfasst, in dem sich der Tumor aufgrund beispielsweise der Atmung bewegt. Das hat den Nachteil, dass die Behandlung auch umliegendes Gewebe zerstört, das gesund ist. Dies kann für Patient:innen zu ungewollten Nebenwirkungen führen.

Eine neue Technologie des Medizintechnik-Unternehmens Brainlab kann die Tumorbewegung erfassen und bei der Behandlung berücksichtigen. So ermöglicht es ExacTrac Dynamic Ärzt:innen, Tumore präzise zu verorten und den Behandlungsstrahl submillimetergenau auszurichten. So macht die Lösung eine Hochpräzisionsbestrahlung möglich und schont gesundes Gewebe*.

Hochpräzise Bestrahlen

Das raum- und röntgenbasierte Überwachungssystem ExacTrac Dynamic lässt sich in Ergänzung zu den Linearbeschleunigern – den eigentlichen Bestrahlungsgeräten – verschiedener Hersteller installieren. Es besteht aus einer Trackingkameraeinheit, zwei stereoskopischen Röntgenröhren, dazugehörigen Detektoren sowie einem Steuercomputer inklusive Software. Die eingesetzte Thermaloberflächen-Kameratechnologie basiert auf einer 4D-Thermalkamera, die die Wärmesignatur der behandelten Patient:innen mit der rekonstruierten 3D-Oberflächenstruktur in Verbindung bringt. Dazu erfasst sie bis zu 300.000 3D-Oberflächenpunkte und ergänzt sie um das zeitgleich erzeugte Wärmesignal. Dies erweitert die Positionsüberwachung um eine neue Dimension.

PD Dr. med. Carolin Senger
PD Dr. med. Carolin Senger verantwortet als Oberärztin der Klinik für Radioonkologie und Strahlentherapie der Charité die Behandlung der Patientinnen mit Mammakarzinom. (Foto: Charité – Universitätsmedizin Berlin)

Echtzeit-Röntgen-Tracking visualisiert indes die innere Anatomie der Patient:innen und erlaubt so eine genaue Positionsverifizierung. Verglichen mit vorangegangenen Generationen umfasst die Röntgenüberwachung von ExacTrac Dynamic einen verbesserten Weichgewebe-Kontrast und eine höhere Auslesegeschwindigkeit. Dies vermeidet Unschärfeeffekte bei beweglichen Zielen, beispielsweise Lungentumoren. * Die verwendeten Röntgenröhren verfügen zudem über eine höhere Wärmekapazität. Dadurch unterstützen sie eine stärker automatisierte Hochfrequenz-Bildgebung. Mithilfe der kombinierten Daten aus Thermaloberflächen- und Röntgentracking kann die integrierte Software die Position eines Tumors in Echtzeit bestimmen, wodurch dieser submillimetergenau bestrahlt werden kann.

Das Unternehmen Brainlab AG entwickelt, produziert und vermarktet softwaregestütze Medizintechnologie. Am Hauptsitz in München-Riem arbeitet die Hälfte der weltweit rund 2.000 Mitarbeitenden.

Vorteile für Patient:innen und Ärzt:innen

Mithilfe dieser hohen Präzision könnten wesentlich höhere Strahlendosen angewendet werden. Die Behandlung würde dadurch effektiver, sodass weniger Sitzungen notwendig wären. Aufgrund der reduzierten Nebenwirkungen könnte die Lösung diese Therapieform zudem auch für Menschen mit Vorerkrankungen zugänglich machen. Durch diese Vorteile könnte sie die Arbeitsabläufe für Ärzt:innen und Klinikpersonal vereinfachen, da der automatisierte Prozess weniger fehleranfällig ist und aufgrund der höheren Effektivität weniger Termine koordiniert werden müssten. So könnten Ärzt:innen zudem mehr Patient:innen im Rahmen der vorhandenen Kapazitäten behandeln. 

Bedeutungszuwachs für Strahlentherapie 

Darüber hinaus könnte die neue Technologie den Stellenwert der Strahlentherapie in der Krebsbehandlung verändern. In der Vergangenheit war diese für viele Ärzt:innen Mittel zur palliativen Symptomlinderung. Dank dem Einsatz moderner Bestrahlungs-Technologien könnte sie sich bald zu einer vielgenutzten Behandlungsmethode mit guten Heilungschancen entwickeln. So kommt Radiochirurgie bei gutartigen Hirntumoren schon in mindestens jedem zweiten Fall zum Einsatz. Über 1.200 Krebszentren weltweit nutzen die ExacTrac-Technologie bereits zur Behandlung von Tumoren.

* Noch nicht kommerziell verfügbar. 

Die Klinik für Radioonkologie und Strahlentherapie der Charité – Universitätsmedizin Berlin ist eines der ersten Behandlungszentren, welches den Deep Inspiration Breath Hold-Workflow (DIBH) von Brainlab mit dem ExacTrac Dynamic System nutzt. Dieser ermöglicht, Patientinnen mit linksseitigem Brustkrebs herzschonend zu bestrahlen und dadurch Spätfolgen zu vermeiden. Diese betreffen häufig Herz und Lunge. „Die Vermeidung von Spätfolgen der Bestrahlung bei linksseitigem Brustkrebs ist aufgrund der sehr guten Prognose der Patientinnen besonders relevant, weshalb Präzision und Schonung der gesunden Organe als Qualitätsanforderung einen immer größeren Stellenwert einnehmen“, erklärt Professor Dr. med. Daniel Zips, Direktor der Klinik für Radioonkologie und Strahlentherapie der Charité – Universitätsmedizin Berlin.