Ein neuartiger Algorithmus für MRT-Aufnahmen könnte künftig die Diagnose von Krankheiten beschleunigen und gleichzeitig Radiologen entlasten. Er lernt selbstständig über Klinikgrenzen hinweg hinzu, ohne dabei den Datenschutz zu verletzen.
Der Algorithmus wurde von Forschenden von Helmholtz Munich, der Technischen Universität München (TUM) und ihres Klinikums rechts der Isar, des Universitätsklinikums Bonn (UKB) und der Universität Bonn gemeinsam mit weiteren Wissenschaftlern und Klinikern entwickelt. Da er „selbstlernend“ ist, benötigt er keine umfangreichen, zeitaufwendigen Befunde oder Markierungen von Radiologen in den MRT-Aufnahmen. Dieser föderale Algorithmus wurde an mehr als 1.500 MR-Scans gesunder Studienteilnehmer aus vier Einrichtungen trainiert, ohne dabei den Datenschutz zu verletzen. Danach wurden anhand des Algorithmus rund 500 MRT-Aufnahmen von Patientinnen und Patienten analysiert, um Krankheiten wie Multiple Sklerose, Gefäßerkrankungen sowie verschiedene Formen von Hirntumoren zu erkennen, die der Algorithmus vorher noch nie gesehen hatte.
Deutliche Vereinfachung
Bislang konnten KI-Lösungen Ärztinnen und Ärzte zwar bei der Diagnose unterstützen. Solche Algorithmen benötigten jedoch für das Training eine erhebliche Menge an Daten und den dazugehörigen radiologischen fachärztlichen Befunden. Der Aufbau einer solchen großen, zentralen Datenbank stellt aber zum einen besondere Anforderungen an den Datenschutz, und zum anderen ist die Erstellung der Befunde und Annotationen, beispielsweise das Markieren von Tumoren in einer MRT-Aufnahme, sehr aufwendig.
Zur Bewältigung dieser Herausforderungen wollten die Forschenden einen KI-basierten medizinischen Diagnose-Algorithmus für MRT-Aufnahmen des Gehirns entwickeln, der ohne von einem Radiologen kommentierte beziehungsweise aufgearbeitete Daten auskommt. Darüber hinaus sollte dieser Algorithmus „föderal“ trainiert werden. Das bedeutet, dass „der Algorithmus zu den Daten kommt“. Auf diese Weise können die besonders schützenswerten medizinischen Bilddaten in der jeweiligen Klinik bleiben und müssen nicht zentral gesammelt werden.
Die Weisheit der Massen
Ihre Ergebnisse haben die Forschenden in einer Studie zusammengefasst, die jetzt im Fachmagazin „Nature Machine Intelligence“ erschienen ist. Sie konnten zeigen, dass der von ihnen entwickelte föderale KI-Algorithmus jeden KI-Algorithmus, der nur mit Daten aus einem einzelnen Institut trainiert wurde, übertrifft. „In seiner ‘Weisheit der Massen’ argumentierte James Surowiecki, dass große Gruppen von Menschen intelligenter sind, egal wie klug ein Einzelner sein mag. Grundsätzlich funktioniert so unser föderaler KI-Algorithmus“, sagt Prof. Dr. Shadi Albarqouni, Professor für Computergestützte medizinische Bildgebungsforschung an der Klinik für Diagnostische und Interventionelle Radiologie am Universitätsklinikum Bonn und Helmholtz AI Nachwuchsgruppenleiter bei Helmholtz Munich.
Robuste Erkennung
Um das Wissen über MRT-Aufnahmen des Gehirns zu bündeln, wurde der KI-Algorithmus in verschiedenen und unabhängigen medizinischen Einrichtungen trainiert, ohne den Datenschutz zu verletzen oder Daten zentral zu sammeln. „Sobald dieser Algorithmus lernt, wie MRT-Bilder des gesunden Gehirns aussehen, ist es für ihn einfacher, Krankheiten zu erkennen. Um dies zu erreichen, bedarf es einer intelligenten rechnerischen Aggregation und Koordination zwischen den beteiligten Instituten“, sagt Prof. Dr. Albarqouni. PD Dr. Benedikt Wiestler, Oberarzt am Universitätsklinikum rechts der Isar der TUM und ebenfalls an der Studie beteiligt, ergänzt: „Das Training des Modells an Daten aus verschiedenen Zentren trägt erheblich dazu bei, dass unser Algorithmus Krankheiten deutlich robuster erkennt als andere Algorithmen, die nur mit Daten aus einem Zentrum trainiert sind.“ Die Forschenden sind davon überzeugt, dass ihre föderale KI-Technologie die digitale Medizin erheblich voranbringen wird. Denn hiermit lässt sich die Arbeitsbelastung von Radiologen reduzieren, gleichzeitig bleibt auch der Schutz von Patientendaten gewährleistet.