IoT-Lösungen im Gesundheitswesen haben enormes Potential. Wie sie in der Prävention, im OP oder im Klinikmanagement zu sicheren und effizienten Abläufen beitragen können, beleuchtet Bernd Groß in seinem aktuellen Gastbeitrag. Groß ist Chief Technology Officer der Software AG sowie Chief Executive Officer von Cumulocity.
Gastbeitrag von Bernd Groß
An der Digitalisierung kommt keine Branche vorbei. Ein wichtiger Treiber mit viel Potential für Unternehmen jeder Größe ist hierbei das Internet der Dinge oder auch “Internet of Things” (IoT). Das IoT bezeichnet mit Sensoren bestückte und mit dem Internet vernetzte, „intelligente” Dinge, die ihre Messdaten auf eine Cloud-Plattform hochladen, wo sie analysiert werden. In der Industrie können so beispielsweise Maschinendaten wie Druck und Temperatur überwacht werden. Alltagsgegenstände wie ein Kaffeeautomat lassen sich ebenfalls vernetzen – der tagtägliche Verschleiß kann durch Sensoren gemessen, die Daten entsprechend ausgewertet und die Maschine rechtzeitig ausgetauscht werden, bevor sie ausfällt. Auch im Gesundheitswesen können IoT-Lösungen Prozesse optimieren. Beispielsweise bei der Prävention, im OP oder im Klinikmanagement tragen sie zu sicheren und effizienten Abläufen bei.
Prozessoptimierung im Gesundheitswesen – effizient mit IoT-Lösungen
Der tägliche Betrieb in einer Arztpraxis oder einer Klinik ist komplex, da das Personal neben der Arbeit mit Patienten auch mit vielen verschiedenen Verwaltungsaufgaben beschäftigt ist. Dazu zählen beispielsweise die Nachbestellung von Medikamenten, die Einteilung der Arbeitszeiten für die Belegschaft oder die Planung der Raum- und Bettenauslastung innerhalb einer Klinik. Die Anwendung von IoT-Lösungen hat das Potential, Mitarbeiter in Aufgaben dieser Art stark zu entlasten. Bestehende Prozesse können automatisiert oder optimiert werden. So ermöglichen IoT-Projekte die automatisierte Nachbestellung von medizinischen Verbrauchsgegenständen, da sie rechtzeitig erkennen, wann Lagerbestände zur Neige gehen und rechtzeitig Nachschub ordern können.
Vorausschauender Klinikalltag mit Predictive Maintenance
Mit IoT-Lösungen aus dem Bereich Predictive Maintenance ist es darüber hinaus möglich, die reibungslose Funktion medizinischer Geräte zu überwachen und anhand von Messdaten Schlüsse zu ziehen, wann Verschleißerscheinungen auftreten werden. So kann bereits vor einem Geräteausfall ein Techniker alarmiert werden. Das IoT ermöglicht es, Verwaltungsentscheidungen vorausschauender zu treffen. Das spart Zeit, die für wertschöpfende Arbeit wie die Suche nach neuen Mitarbeitern nutzbar wird.
IoT in Kombination mit künstlicher Intelligenz erlaubt darüber hinaus die Analyse des genauen Personalbedarfs für einen gegebenen Zeitraum, da das System anhand erhobener Daten lernt, zu welchen Zeiten mehr oder weniger Mitarbeiter benötigt werden. So lassen sich Leerlaufphasen – aber auch Überlastungssituationen für die Belegschaft minimieren.
Smarte Untersuchungsgeräte für kürzere Behandlungszeiten
Auch im direkten Umgang mit Patienten bringen IoT-Lösungen umfangreiche Vorteile. In der Diagnostik helfen sie, Fehlerquellen zu vermeiden, indem Untersuchungsgeräte selbstständig die gewonnenen Daten direkt an das Speichersystem weiterleiten. Ein Ultraschall- oder auch MRT-Gerät legt dann die Befundbilder unmittelbar und voll automatisiert in der entsprechenden Patientenakte im System ab. Verwechslungen aufgrund von menschlichen Fehlern gehören somit der Vergangenheit an. Der behandelnde Arzt hat binnen Sekunden nach der Untersuchung Zugriff auf die Daten. Für eine umfangreichere sowie schnellere und präzisere Diagnose greifen smarte Systeme außerdem über das Internet direkt auf weltweite Forschungsergebnisse und Publikationen zu. Dadurch verkürzen sich die Behandlungszeiten, was sowohl dem Arzt als auch den Patienten zugute kommt.
Big Data – mit Hilfe des IoT der Datenmassen Herr bleiben
Durch neue Technologien wie Wearables oder Fitness-Apps sowie die steigende Bereitschaft diese anzuwenden, wurden noch nie so detaillierte Daten zum gesundheitlichen Zustand von Patienten erhoben wie heute. Dies bietet enormes Potential hinsichtlich der optimalen gesundheitlichen Versorgung – wenn auch der Datenschutz noch größer geschrieben werden muss als bisher. Nicht nur junge Menschen setzen auf Fitness-Tracker und Co., sondern auch ältere Patienten mit medizinischen Vorgeschichten nähern sich der Thematik stark an. Neben Schrittzählern liefern auch intelligente Körperwaagen, mit Sensoren ausgestattete Schlafmatten oder verschluckbare Mikrosensoren nützliche Patientendaten, die alternativ nur durch mühselige Labortests gewonnen werden können. Wenn die Daten nicht einfach nur gesammelt, sondern in IoT-Plattformen kumuliert, ausgewertet und in Verhältnis zueinander gestellt werden, wird ihr großes Potential nutzbar. Die lückenlose Überwachung relevanter Werte in Bereichen wie Bewegung, Blutdruck, Puls oder Blutzucker erlaubt Ärzten den Zugriff auf kontinuierlich aktualisierte Gesundheitsdaten. Anhand dieser Daten lassen sich ganz individuelle Behandlungen verordnen, was wiederum die Qualität der Patientenversorgung verbessert und die Arbeit der Ärzte erleichtert.
Erste Schritte bei der Implementierung im Praxisbetrieb
Besonders die Gesundheitsbranche wird sehr stark reguliert. Fehler dürfen nicht passieren, da auch Menschenleben daran hängen. Deshalb muss die Implementierung von vernetzten Geräten in Krankenhäusern und Arztpraxen sehr gewissenhaft erfolgen. Bei der Einführung kann die Branche stark von den Erfahrungen der Industrie 4.0 lernen und profitieren. Um außerdem eine schnelle Datenverarbeitung zu realisieren, die es letztendlich ermöglicht, in Echtzeit zu arbeiten, sollte zuallererst ein Ausbau der Infrastruktur auf Organisationsseite erfolgen. Modernste Technik ist nutzlos, wenn sie durch mangelnde IT-Infrastrukturen ausgebremst wird. Die nötige Rechenleistung für die Übertragung von Daten in Echtzeit muss gewährleistet sein. Mit komplexen IT-Infrastrukturen und einer Vielzahl an sensiblen Daten ist der Schutz dieser von höchster Wichtigkeit. Bei jedem erstellten CT und jeder verschickten digitalen Krankenakte muss daher die Sicherheit Priorität haben. Auch wenn der Gesundheitsbranche bei der Einführung von IoT-Lösungen hohe Investitionen bevorstehen, lohnt sich gerade jetzt der Einstieg – beziehungsweise Umstieg. Schon jetzt hat die Medizintechnik mit einem deutlich erhöhtem Datenaufkommen zu tun. Die Branche wird immer digitaler und Praxen, Kliniken, Mitarbeiter und Patienten profitieren zunehmend von dieser Entwicklung.