Telemonitoring nicht unterschätzen

Linus Drop ist Geschäftsführer der SHL Telemedizin GmbH. (Foto: SHL Telemedizin GmbH)
Linus Drop ist Geschäftsführer der SHL Telemedizin GmbH. (Foto: SHL Telemedizin GmbH)

Das Potenzial von Telemonitoring ist noch lange nicht ausgeschöpft. Davon ist SHL Telemedizin-Geschäftsführer Linus Drop überzeugt. Im Interview mit mednic.de beleuchtet er die Vorteile von Telemonitoring bei Herzinsuffizienz für PatientInnen und erklärt, warum es in Zeiten demographischen Wandels und knapper Finanzmittel immer wichtiger wird. 

mednic.de: Inwiefern kann die telemedizinische Betreuung von Patienten mit Herzinsuffizienz deren Prognose verbessern? Wo sehen Sie die Vorteile, in welchen Teilbereichen bestehen etwaige Nachteile?

Linus Drop: Das wichtigste Argument für das Telemonitoring bei Herzinsuffizienz ist eine verlängerte Lebenserwartung. Das ist durch Studien sehr gut belegt. Die täglichen Messungen helfen Kardiologen bei kritischen Veränderungen schnell geeignete Maßnahmen zu ergreifen – negative Entwicklungen werden frühzeitig erkannt, sodass noch mit relativ einfachen Maßnahmen eine Stabilisierung gelingt. Nachteile gibt es praktisch nicht. Für jeden einzelnen Leistungserbringer oder Patienten ist das Telemonitoring natürlich eine Umstellung, das zahlt sich aber schnell aus.

mednic.de: Welche Vorteile bieten sich seit Anfang 2022 für Behandler?

Linus Drop: Durch den Beschluss des G-BA ist das Telemonitoring bei Herzinsuffizienz seit dem 1. Januar 2022 Teil der gesetzlichen Regelversorgung. Das heißt zunächst einmal, dass Kardiologen das Telemonitoring in der Regelversorgung extrabudgetär abrechnen können. Das erleichtert die Abläufe ganz massiv, weil es jetzt eine flächendeckende Finanzierung für das Thema gibt. Kardiologen können das Telemonitoring dadurch nicht nur in Selektivverträgen mit einzelnen Krankenkassen anwenden, sondern bei allen Patientinnen und Patienten, die bestimmte Kriterien erfüllen. Übrigens können seit dem 1. Januar auch beteiligte Hausärzte eine neue Vergütung erhalten.

mednic.de: Seit Kurzem bietet SHL Telemedizin ein Komplettangebot für das kardiologische Telemonitoring. Kardiologische Leistungserbringer sollen in diesem Programm Unterstützung bei der Einrichtung ihres TMZ erhalten. Wie funktioniert das?

Linus Drop: Damit das Telemonitoring bei Herzinsuffizienz wirklich in der Praxis ankommt, wollen wir es Kardiologen möglichst leicht machen. Das heißt, wir helfen bereits beim Aufbau der Infrastruktur und liefern die Software und die medizinischen Messgeräte für alle Patienten – inklusive Technik-Support. Wenn gewünscht, können wir auch die medizinischen Fachkräfte in unserem Telemedizinzentrum einbinden, um unsere kardiologischen Partner in der Routinebetreuung oder am Wochenende zu entlasten. Wie weit wir als SHL Telemedizin unterstützen, hängt immer von den Zielen und Präferenzen der beteiligten Kardiologen ab. Wir bieten hier verschiedene Modelle an. 

mednic.de: Wie bewerten Sie die aktuelle Lage angesichts einer immer älteren Durchschnittsbevölkerung? Welche Rolle können hier Ihrer Einschätzung nach telemedizinische Angebote spielen?

Linus Drop: Vielen ist gar nicht so bewusst, dass das Telemonitoring auch eine gesundheitsökonomische Dimension hat. Studien zeigen nämlich, dass das Telemonitoring bei Herzinsuffizienz günstiger ist als eine Betreuung ohne Telemonitoring, weil die Patienten dadurch seltener ins Krankenhaus müssen. Das Beste daran ist, dass die wirtschaftliche Ersparnis Hand in Hand geht mit einer besseren Versorgungsqualität. Das Ergebnis ist also nicht Effizienz zulasten der Versorgung, sondern eine verbesserte Lebensqualität der Patienten bei gleichzeitigen Ersparnissen für das Gesundheitssystem. Je mehr wir in einer alternden Gesellschaft mit chronischen Erkrankungen und knappen Finanzmitteln zu tun haben, desto wichtiger wird das Telemonitoring deshalb. 

Es bleibt noch viel zu tun

mednic.de: Was erwarten Sie in diesem Zusammenhang von der Politik und den weiteren involvierten Akteuren?

Linus Drop: Die Politik darf sich mit dem bisher Erreichten nicht zufriedengeben. Das Telemonitoring bei Herzinsuffizienz ist ein guter Schritt nach vorne – allerdings nur für die am schwersten betroffenen Patientinnen und Patienten. An rund 90 Prozent der Herzinsuffizienz-Patienten geht diese Regelung vorbei. Eine Variante mit geringerer Betreuungsintensität könnte hier durchaus sinnvoll sein. Außerdem gibt es noch weitere Felder, in denen Telemonitoring einen wertvollen Beitrag leisten kann. Ein gutes Beispiel, das auch zur demografischen Entwicklung passt, ist die Geriatrie. Multimorbide Patienten können von einer engmaschigen Betreuung aus der Ferne sehr profitieren. Hier braucht es neue Möglichkeiten – nicht als Projekt, sondern in der Regelversorgung. Es ist also noch viel zu tun.

mednic.de: Bitte eine kurze Prognose: Wo sehen Sie die Themen Telemedizin und Telemonitoring in zehn Jahren?

Linus Drop: In zehn Jahren wird die Telemedizin so weit etabliert sein, dass sie für bestimmte Behandlungen und Konsultationen ganz selbstverständlich als Standard-Option gilt. In Fachkreisen und in der Bevölkerung wird die Erkenntnis reifen, dass die Telemedizin in bestimmten Fällen praktischer und sicherer ist als eine Versorgung vor Ort. Man wird sich in zehn Jahren nicht mehr vorstellen können, dass Vitalparameter nur beim Arztbesuch geprüft werden und nicht jeden Tag zuhause. Das Telemonitoring wird für chronische Erkrankungen zum Goldstandard!