Forscher beschleunigen Gehirn-Simulation

Mittels Software und Superrechnern die kompletten Abläufe im menschlichen Gehirn vollständig in Echtzeit zu simulieren, ist bislang unmöglich. Jetzt sind Neurowissenschaftler diesem Ziel einen bedeutenden Schritt nähergekommen.

Das menschliche Gehirn mit seinen hundert Milliarden Nervenzellen ist ein Organ von ungeheurer Komplexität. Selbst mithilfe der schnellsten Superrechner ist es bis jetzt unmöglich, den Austausch von Gehirnsignalen in einem Netzwerk dieser Größe zu simulieren. Wissenschaftler des Forschungszentrums Jülich, des japanischen Riken-Instituts in Kobe und Wako und des schwedischen KTH Royal Institute of Technology in Stockholm haben gemeinsam nun die Voraussetzungen geschaffen, das Potenzial kommender Rechnergenerationen für eine entsprechende Simulation voll auszuschöpfen. Die verbesserte Software beschleunigt auch Simulationen auf heutigen Superrechnern.

Simulation von einem Prozent aller Neuronen

„Seit 2014 sind wir in der Lage, mit unserer Software Netzwerke bestehend aus ungefähr einem Prozent aller Neuronen des menschlichen Gehirns zu simulieren“, erklärt Professor Markus Diesmann vom Forschungszentrum Jülich. Die nächste Generation von Supercomputern, die sogenannte Exascale-Klasse, wie der in Kobe geplante Nachfolger des K Computers und „Juwels“ in Jülich, werden die Leistungsfähigkeit heutiger Supercomputer um das zehn- bis hundertfache übertreffen. Zum ersten Mal wird Wissenschaftlern dann die Rechenleistung zur Verfügung stehen, um neuronale Netzwerke in der Größenordnung des menschlichen Gehirns zu simulieren.

Durchbruch durch neuen Algorithmus

Die Forscher nutzen für die Hirn-Simulationen die weitverbreitete, frei verfügbare Software NEST, die unter anderem ein wichtiger Bestandteil im europäischen Human Brain Project ist. Das Verhalten jedes Neurons im Netzwerk wird von der Software durch eine Handvoll mathematischer Gleichungen repräsentiert. Bei der Erweiterung des Codes für immer leistungsstärkere Maschinen steckten die Experten um Markus Diesmann vor ein paar Jahren trotz aller Erfolge in einer Sackgasse. Den Durchbruch, beschrieben in der jüngsten Veröffentlichung der Wissenschaftler, brachte ein neuer Algorithmus für die Konstruktion der virtuellen neuronalen Netzwerke.

Sofortiger Nutzen

Bereits auf heutigen Supercomputern profitieren Neurowissenschaftler von einer verbesserten Datenstruktur. „Im Laufe unserer Untersuchungen sahen wir, dass aufgrund der effizienteren Kommunikation die neue Technologie auch jetzt schon unsere derzeitig größten Simulationen deutlich beschleunigt”, berichtet Dr. Susanne Kunkel vom KTH Royal Institute of Technology in Stockholm. Dauerte auf dem Jülicher Supercomputer „Juqueen“ die Simulation einer Sekunde biologischer Aktivität in einem neuronalen Netzwerk aus einer halben Milliarde Nervenzellen bisher knapp eine halbe Stunde, reduziert der neue Code diese Zeit auf nur noch etwas mehr als fünf Minuten. Das beschleunigt nicht nur die Forschung mit großen Netzwerkmodellen, sondern spart auch Energie und Rechenzeit auf dem Superrechner.