Es gibt zu wenig Fachkräfte im Gesundheitswesen und die Lage verschärft sich weiter: Bereits 2035 können knapp 1,8 Millionen offene Stellen nicht mehr besetzt werden, weil qualifizierte Mitarbeitende fehlen. Das entspricht einem Engpass von 35 Prozent. Zu diesem Ergebnis kommt eine jetzt veröffentlichte Studie von PwC.
Aktuell liegt der Versorgungsengpass bei rund sieben Prozent. Vor allem in der Alten- und Krankenpflege fehlen Fachkräfte. Krankenhäuser und andere Einrichtungen des Gesundheitswesens müssen sich darauf einstellen, dass die Herausforderung für sie wächst. Sie sollten nicht allein auf die Rekrutierung neuer Kräfte konzentrieren, sondern auch in die Mitarbeiterbindung investieren, raten die Studienautoren. Denn die Wechselbereitschaft im Gesundheitswesen sei hoch: Unter Pflegekräften mit leitender Tätigkeit und ÄrztIinnen kann sich nur knapp ein Drittel vorstellen, den Beruf bis zur Rente auszuüben.
Potenzielle Pflegekräfte fürchten psychische Belastung
Neben dem demografischen Wandel sind laut Studie auch die Arbeitsbedingungen für den Fachkräftemangel verantwortlich. 72 Prozent der ÄrztInnen und Pflegekräfte in leitender Funktion beklagen die körperliche Belastung, die mit dem Beruf einhergeht. Die hohe psychischen Belastung thematisieren 59 Prozent. Potenzielle Pflegefachkräfte wie 18- bis 29-Jährige mit Schulabschluss in den vergangenen drei Jahren, Arbeitslose und Wechselwillige sind besonders wegen der hohen psychischen Belastung besorgt, wie 63 Prozent angeben. Erst an zweiter Stelle sehen sie mit 57 Prozent die körperliche Anstrengung im Pflegeberuf. Die Studienautoren haben ermittelt, dass das Bild von Pflege „bedenklich negativ geprägt“ ist. Gerade erfahrenen Kräften scheint im Laufe der Zeit der berufliche Idealismus verloren zu gehen. Nur 28 Prozent der Befragten bestätigen, dass man in Gesundheitsberufen Menschen helfen kann.
Wertschätzung fehlt
50 Prozent der ÄrztInnen und leitenden Beschäftigten im Pflegebereich ebenso wie 56 Prozent der potenziellen Nachwuchskräfte fordern mehr Wertschätzung für ihre Tätigkeit. Die Covid-19-Pandemie hat die Systemrelevanz der Pflege zwar in den Fokus der Öffentlichkeit gerückt. Doch nach Einschätzung der erfahrenen Kräfte wird dieser Effekt eher kurzfristiger Natur sein, nehmen 41 Prozent der Befragten an. Der Mehrheit aus dieser Gruppe war mit 90 Prozent auch vor Ausbruch der Pandemie bewusst, wie systemrelevant Pflege ist. Ein angemessenes Gehalt wäre nach Ansicht der Befragten ein wichtiges Signal für mehr Wertschätzung. Damit lässt sich laut Studie insbesondere die Gruppe derer für die Pflege anwerben, die als „stille Reserve“ gilt: Wechselwillige mit Interesse an der Pflege, Arbeitslose und AbsolventInnen mit Schulabschluss in den vergangenen drei Jahren.
Fragt man diese Gruppe, welche Bedingungen sich verbessern müssten, damit sie bis zur Rente in der Pflege bleiben, nennen 68 Prozent die Bezahlung. An zweiter Stelle stehen bessere Arbeitszeiten (49 Prozent), an dritter Stelle eine bessere personelle Ausstattung (47 Prozent). Gehaltsanreize könnten diese Gruppe also am ehesten zu einem Einstieg in das Gesundheitswesen veranlassen. Auch erfahrene Kräfte sind Gehaltsanreize wichtig, werden aber nur von 41 Prozent genannt.
„Wir werden dem Fachkräftemangel nicht mehr durch einzelne Maßnahmen begegnen können, sondern brauchen eine grundlegend neue Pflege- und Gesundheitspolitik. Dazu gehört vor allem die Verbesserung der Arbeitsbedingungen in der Pflege: durch eine höhere Bezahlung, mehr Anerkennung und eine angemessene personelle Ausstattung“, sagt Michael Burkhart, Leiter Gesundheitswirtschaft bei PwC Deutschland
Wenn die hohe körperliche und psychische Belastung in der Pflege verringert werden soll, spielen digitale Technologien eine wesentliche Rolle. Sie bieten das Potenzial, Pflegekräfte zu entlasten und gleichzeitig die Autonomie von kranken oder pflegebedürftigen Menschen zu stärken. Die StudienteilnehmerInnen sehen das Potenzial durchaus. Insbesondere die Gruppe der 18- bis 29-jährigen AbsolventInnen, Wechselwilligen und Arbeitslosen ist aufgeschlossen gegenüber der digitalen Transformation.
Digitale Technologien entlasten
So bestätigen 62 Prozent, dass intelligente Technologien das Personal entlasten, und ebenso viele begrüßen die Chance zur besseren Beobachtung von Gesundheitsdaten. 59 Prozent sind davon überzeugt, dass durch die Digitalisierung im Arbeitsalltag mehr Zeit für die PatientInnen bleibt. Das Potenzial der digitalen Transformation sieht auch die Gruppe der erfahrenen Kräfte sieht, sie ist in ihrer Einschätzung jedoch etwas verhaltener. Die Studie ist ab sofort verfügbar und kann online bestellt werden.