Forscher haben Lösungen für energieeffiziente KI-Chips entwickelt, die künftig bei der frühzeitigen Erkennung von Vorhofflimmern helfen könnten. Das könnte bei der Lösung eines seit langem bekannten Problems helfen.
Denn Systeme mit Künstlicher Intelligenz (KI) können zwar die Gesundheitsversorgung verbessern, Heilungschancen für Patienten erhöhen und Ärzte bei ihren Diagnosen unterstützen. Dafür benötigen die KI-Systeme allerdings enorm viel Strom. Die Fraunhofer-Institute für Integrierte Schaltungen IIS und für Techno- und Wirtschaftsmathematik ITWM haben deshalb die Lösungen für energiesparsame KI-Chips entwickelt. Dafür sind sie nun im Wettbewerb „Energieeffiziente KI-Systeme“ des Bundesministeriums für Bildung und Forschung BMBF ausgezeichnet worden.
Rechenintensive Datenauswertung
Vorhofflimmern ist eine der häufigsten Herzrhythmusstörungen und kann ohne frühzeitige Erkennung einen Schlaganfall auslösen. Wearables wie etwa Smartwatches bieten eine Möglichkeit, EKGs über einen langen Zeitraum aufzuzeichnen. So lässt sich die Chance erhöhen, Vorhofflimmern zu erkennen. Doch damit die mobile Diagnose praktisch umsetzbar ist, müssen die aufgezeichneten EKG-Daten energieeffizient ausgewertet werden können. Das Problem: Die Algorithmen zur Auswertung der Patientendaten können sehr rechenintensiv sein, was einen hohen Energieverbrauch zur Folge hat. Die Laufzeit und damit die Zuverlässigkeit eines mobilen Systems ist aber von dessen Energieverbrauch abhängig. Für mobile Anwendungen hat deswegen die energieeffiziente Ausführung der Auswertungsalgorithmen auf der Hardware höchste Priorität.
Erster Platz für effiziente Ideen
Der Energieverbrauch heutiger Mikroelektronik muss gesenkt werden. So schafft Künstliche Intelligenz (KI) Nutzen und kann Einzug in medizinische Anwendungen halten. Die Aufgabe im BMBF-Wettbewerb war es daher, dass der KI-Chip mit einer Genauigkeit von mindestens 90 Prozent Vorhofflimmern erkennen soll. Zudem musste er dies in Echtzeit klassifizieren und dabei so wenig wie möglich Energie verbraucent. Die Anzahl der Fehlalarme darf 20 Prozent nicht überschreiten. Für die Umsetzung der Aufgabe bekamen die teilnehmenden Teams 16 000 einzelne EKG-Aufnahmen von je zwei Minuten Länge von der Berliner Charité gestellt. 8000 der Aufnahmen waren von Patienten mit Vorhofflimmern, die restlichen 8000 von Gesunden. Sowohl das Fraunhofer IIS als auch das Fraunhofer ITWM belegten den ersten Platz im Wettbwerb.
Das Team des Fraunhofer IIS, geleitet von Dr. Marco Breiling, gewann gemeinsam mit den Forschenden der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg um Dr. Marc Reichenbach und Prof. Dietmar Fey in der Kategorie ASIC 130 Nanometer mit dem Projekt „Low-Power Low Memory Low-Cost EKG-Signalanalyse mit ML-Algorithmen – Lo3-ML“. Das Fraunhofer ITWM gewann gemeinsam mit der Technischen Universität Kaiserslautern in der Kategorie FPGA mit dem Projekt: „Holistischer Ansatz zur Optimierung von FPGA Architekturen für tiefe neuronale Netze via AutoML – Automatisches Maschinenlernen (HALF)“.
Projekt Lo3-ML – Signalverarbeitung fällt in Schlafmodus
Um zu erkennen, ob der Patient gesund oder krank ist, setzen die Forscher am Fraunhofer IIS in Lo3-ML auf Deep Learning, eine spezielle Methode des Maschinellen Lernens. Sie verwendet Neuronale Netze mit verschiedenen Eingabe- und Ausgabeschichten. Das digital vorliegende EKG-Signal wird in das Neuronale Netz eingegeben, die Abschnitte des Signals werden gefiltert, die einzelnen Signalanteile gewichtet und in mehreren Schichten aufsummiert. „In der ersten Schicht des Neuronalen Netzes wird ein gewisses Signalverhalten erkannt, in der zweiten Schicht werden die Merkmale in Beziehung zueinander gesetzt. Insgesamt kommen sechs Schichten zum Einsatz. Erst in der letzten sechsten Schicht entsteht ein komplexes Bild des EKG-Signals, das eine vorliegende Erkrankung anzeigt“, so Marco Breiling, Wissenschaftler am Fraunhofer IIS. Mit einem Trick gelang es dem Forscherteam diese Zeitreihensignale, also die digitale Darstellung des EKG-Signals, besonders energieeffizient zu verarbeiten: Die Signalverarbeitung als ein Teil des KI-Chips wird schlafen gelegt, solange sie nicht benötigt wird. Dadurch lässt sich 95 Prozent der Energie einsparen.
Zur erheblichen Energieeinsparung tragen darüber hinaus systolische Arrays bei – eine spezielle Architektur des Chips. „Für den permanenten Betrieb benötigt unser Chip eine derart geringe Leistung, dass eine Solarzelle mit einer Fläche von 6 mm x 6 mm2 ausreichen würde, die bei Mondschein betrieben wird. Alternativ könnte der Chip mit der allerkleinsten am Markt verfügbaren Knopfzelle 330 Tage in Folge EKGs auswerten“, sagt der Forscher.
Das Projekt HALF
Das Forscherteam des Fraunhofer ITWM in Kaiserslautern berücksichtigt im Wettbewerb sowohl den Energieverbrauch der Hardware als auch die neuronale Netzwerktopologie. Im Vorfeld stand die Überlegung, welches Netzdesign die besten Voraussetzungen für die Aufgabe bietet. Dann suchten die Forscher nach dem am besten Netz. „Wir starten mit zehn verschiedenen zufällig gewählten Netzen, trainieren sie und prüfen, wie gut sie funktionieren. Anschließend wählen wir die beiden besten Netze aus und mutieren sie, sodass zehn neue Netzvarianten entstehen. Diesen Vorgang wiederholen wir so oft, bis wir das beste Netz gefunden haben. Dieses Verfahren bezeichnet man als automatisiertes Maschinelles Lernen«, soDr. Jens Krüger, der am Fraunhofer ITWM im Competence Center – High Performance Computing forscht und das Projekt gemeinsam mit Prof. Dr.-Ing. Norbert Wehn von der TU Kaiserslautern geleitet hat. Dieses als automatisiertes Maschinelles Lernen bezeichnete Verfahren erweitern die Forschenden um einen holistischen Ansatz, der nicht nur das Neuronale Netz, sondern auch die Hardware betrachtet, da das KI-Modell den Energieverbrauch der Hardware beeinflusst.
Programmierbare Chips
Krüger und sein Team verwenden programmierbare Chips, FPGAs (Field Programmable Gate Arrays), in denen die Neuronalen Netze abgebildet werden und mit denen eine Vielzahl von Schaltungen realisiert und die bestmögliche Ausführung eines optimalen Algorithmus erzielt werden kann. Das FPGA lässt sich beliebig oft neu programmieren und zeichnet sich durch verschiedene Eigenschaften aus, die bei der Suche nach dem optimalen Neuronalen Netz betrachtet werden. Mit einem an der TU Kaiserslautern entwickelten Software-Tool wird das Neuronale Netz auf das FPGA übertragen und ist dann in der Lage, die EKG-Daten automatisch auszuwerten. Durch diese Vorgehensweise ist eine neue vereinheitlichende Methodik entstanden, die nicht nur energieeffizienter als bislang ist, sondern auch eine Reduzierung der Entwicklungszeit für optimale neuronale Netzwerktopologien und entsprechende FPGA-Implementierungen ermöglicht.