Digitaler Zwilling kommt ins Krankenhaus

Ein digitaler Zwilling könnte Klinik-Ärzte schon bald bei der personalisierten Behandlung unterstützen. (Foto: © Sean Prior /123rf.com)

Ein digitaler Zwilling soll zukünftig die personalisierte Behandlung in der Klinik erleichtern. An der raschen Umsetzung dieser Vision arbeiten Forscher des Innovationszentrums für Computerassistierte Chirurgie (ICCAS) in einem aktuellen Forschungsprojekt.

Vernetzte Therapieinformationen in der virtuellen Realität und intelligente Sprachassistenten während der medizinischen Beratung sollen bereits in den nächsten drei Jahren Realität werden. Im Forschungsprojekt „Modelle für die personalisierte Medizin“ wollen Wissenschaftler des ICCAS auf der Basis dieser Ideen anwendungsnahe Lösungen für die Unterstützung der onkologischen Patientenbehandlung umsetzen. Das Projekt wird vom Bundesministerium für Bildung und Forschung mit insgesamt rund 5,1 Millionen Euro gefördert.

Digitaler Zwilling schon vor Ort

Die Vision der Leipziger Forscher: Wenn der Patient ins Krankenhaus kommt, ist sein digitaler Zwilling bereits vor Ort. Er stellt dem behandelnden Arzt alle bisherigen Untersuchungsergebnisse, radiologischen Bilder, Informationen über Vorerkrankungen und Operationen sowie molekulargenetischen Daten zur Verfügung. Auf der Basis dieser Informationen kann sich der Arzt direkt ein vollständiges Bild des Krankheitsverlaufs machen. 

Auch während der Diagnostik und Therapie soll der digitale Zwilling helfen. Informationen des Datenzwillings werden dann mit digitalen Modellen des Krankheitsbildes verglichen, die mit den relevanten Studien und neuesten wissenschaftlichen Erkenntnissen optimiert wurden. So soll der der Computer Ärzte künftig bei personalisierten Therapieempfehlungen für Krebspatienten unterstützen. „Die Entscheidung über eine Behandlung wird natürlich weiterhin von Patienten und Ärzten gemeinsam getroffen, aber mit dem digitalen Zwilling können wir den Arzt bestmöglich unterstützen. Damit ist er auf dem neuesten Stand der Wissenschaft“, sagt Projektleiter Prof. Dr. Thomas Neumuth vom ICCAS. Nun wolle man Wege finden, diese und andere Technologien im Bereich der personalisierten Krebsmedizin direkt in den klinischen Alltag zu integrieren.

Hilfreiche Unterstützung

In mehreren Pilotanwendungen werden dazu unterschiedliche Technologien entworfen. Dazu zählt unter anderem ein Patientendaten-Explorer, der die verschiedenen Daten eines Patienten aus radiologischen Bildern und Befundtexten über Webtechnologien verknüpft. Auch an der Integration molekulargenetischer Tumorinformationen in die Entscheidungsfindung oder an der Berechnung patientenspezifischer Therapieprofile für chirurgische Eingriffe und Radio-Chemo-Therapien arbeiten die Forscher. Für diese neuen Möglichkeiten müssen verschiedenste Informationen im digitalen Zwilling des Patienten direkt miteinander verknüpft und durch eine künstliche Intelligenz analysiert werden. „Für unsere tägliche Arbeit wäre dies eine große Unterstützung“, sagt Prof. Dr. Florian Lordick, Direktor des Universitätskrebszentrums Leipzig (UCCL).

Intelligentes Tumorboard

Darüber hinaus wollen die Forscher ein intelligentes Tumorboard zur Verfügung bereitstellen: Dabei kommen Ärzte verschiedener Fachrichtungen zusammen, um den konkreten Fall eines Patienten zu besprechen. „Wir haben einen technologischen Stand erreicht, bei dem ein Arzt nicht mehr alle Schritte und Therapieentscheidungen selbst am Computer eingeben muss. Sprachassistenten verfolgen die Diskussion in der onkologischen Beratung und unterstützen automatisch die Entscheidungsfindung“, erklärt der Informatiker Dr. Stefan Franke vom ICCAS.

Elektronische Patientenakte als Grundlage

Als einfache Form des digitalen Zwillings wollen die Forscher im Projekt die elektronische Patientenakte weiterentwickeln. Sie fasst Befunde und Dokumente eines Patienten in digitaler Form zusammen. „Das ist der Übergang von der analogen in die digitale Welt“, sagt Prof. Neumuth. Bislang sind die Daten in der Patientenakte allerdings noch nicht entsprechend ihrer Bedeutung miteinander verknüpft. So können zum Beispiel patientenindividuelle Analysen noch nicht in vollem Umfang durch künstliche Intelligenz unterstützt werden. Die Wissenschaftler hoffen jedoch, dass sich das künftig ändert. Auch im eigenen Interesse, wie Prof. Neumuth erklärt: „Eine individuell auf mich zugeschnittene Therapie nach den neuesten wissenschaftlichen Erkenntnissen, die meine Situation und meine persönlichen Bedürfnisse berücksichtigt und mir gleichzeitig transparent und verständlich erklärt wird, ist das, was ich mir und meinen Angehörigen wünsche.“