Individualisierte Krebstherapie dank Big Data und KI

Dr. Barbara Sladek ist Gründerin und Geschäftsführerin von Biome Diagnostics. (Foto: Copyright Eccli/Biome Diagnostics)

Personalisierte Medizin und insbesondere individualisierte Krebstherapie werden zukünftig eine immer wichtigere Rolle spielen. In ihrem mednic-Beitrag erläutert Dr. Barbara Sladek, Gründerin und Geschäftsführerin von Biome Diagnostics, wie die Verbindung von Darmmikrobiom und KI-Analyse hier unterstützen kann.

Gastbeitrag von Dr. Barbara Sladek

Immer deutlicher wird die wichtige Rolle des Darmmikrobioms für das menschliche Immunsystem. Aktuelle Studien etwa zeigen, dass sich die Einzeller für Krebstherapien nutzen lassen, bei denen das körpereigene Abwehrsystem gegen Tumorzellen in Stellung gebracht wird. Um das Potenzial zu nutzen, ist Künstliche Intelligenz unumgänglich: Nur mit ihrer Hilfe lassen sich die riesigen Datenmengen, die aus dem Erbgut der Mikroben gezogen werden, analysieren und klinisch nutzen. 

Krebs ist weltweit die zweithäufigste Todesursache. Die Krankheit belastet das Gesundheitssystem in vielerlei Hinsicht enorm. Dies liegt sowohl an einer ungenügenden Früherkennung als auch an Mängeln in der Behandlung selbst. Zu spät eingesetzte und lückenhafte Methoden zur Krebsdiagnose verursachen Leid für die Patientinnen und Patienten sowie hohe Kosten im Gesundheitssystem. Das Robert-Koch-Institut beziffert die Zahl der jährlich Erkrankten auf rund 500.000 Menschen. Prognosen zufolge werden die Krebsneuerkrankungen bis 2030 aufgrund des demografischen Wandels um bis zu 23 Prozent steigen. 

Neue Technologien sollen das ändern. In den Fokus gelangen dabei zunehmend datengetriebene Modelle, um Tumore zu charakterisieren und die besten Therapiemöglichkeiten zu ermitteln. Grundsätzlich ist das Ziel von Big Data in der Krebstherapie, umfassende, für die Gesundheit relevante Informationen von Menschen zur Verfügung zu stellen, auszuwerten und so unterschiedliche Einflussfaktoren auf den Körper besser zu klassifizieren. So können frühere und schnellere Diagnosen sowie eine zielgerichtetere und individualisierbare Therapie und Medikation erfolgen.

KI ermöglicht schnellere Analysen

Das Potenzial lässt sich anschaulich am Thema Mikrobiomdiagnostik erläutern. Jüngste Studien zeigen, dass die Erbgutanalyse und damit die Charakterisierung des Darmmikrobioms eine zielgerichtete, genauere Behandlung bieten und damit eine große Rolle in der erfolgreichen Bekämpfung von Krebs spielen kann. 

Dieses Potenzial lässt sich nun heben, dank neuer Methoden für die Genanalyse und ausgereifter Technologien zur Datenanalyse. Ein gutes Beispiel für diese innovative Art der Präzisionsonkologie ist das Wiener MedTech Start-up Biome Diagnostics. Aus einer einzigen Stuhlprobe eines Patienten oder einer Patientin wird im Labor das Erbgut der Darmmikroben extrahiert und anschließend mithilfe von Next-Generation Sequenzierung (NGS) entschlüsselt. So kann die Bakterienpopulation bis ins Detail bestimmt werden. Muster in den Erbgutdaten geben darüber Aufschluss, ob der menschliche Körper auf bestimmte Krebstherapien anspricht, wie schwer die Nebenwirkungen sein werden, und möglicherweise lässt sich Krebs sogar früher erkennen als bisher. Um diese Muster zu identifizieren, durchsucht eine künstliche Intelligenz (KI) die riesigen Datenmengen nach bestimmten Signaturen, die sich aus tausenden Stuhlproben von KrebspatientInnen herauskristallisiert haben. Diese Analyse ist mittlerweile in Echtzeit unter 30 Minuten möglich. 

Relevante Verbindung von Darmmikrobiom und KI-Analyse

Mit dieser Technologie wurde das Darmmikrobiom erstmals klinisch relevant für die onkologische Immuntherapie: Die cloud-basierte Diagnosesoftware BiomeOne  befähigt onkologisch tätige Medizinerinnen und Ärzte dazu, das Ansprechen und die Nebenwirkungen auf eine Immuntherapie mit Hilfe einer einzelnen Stuhlprobe zu prüfen. Bisher war das nur über eine Gewebeprobeentnahme (PD-L1 Expressionstest) möglich. Die Analyse der Stuhlprobe liefert eine Genauigkeit von über 80 Prozent für das Auftreten von Nebenwirkungen sowie allgemeine Informationen über die Gesundheit des Darmmikrobioms des Patienten oder der Patientin. ÄrztInnen erhalten eine individualisierte Therapieempfehlung für KrebspatientInnen mit Nicht-kleinzelligem Lungenkrebs, Nierenkarzinom und malignem Melanom in den Stadien III und IV und können die Therapie so personalisieren.

Hintergrund der Methode ist, dass die Zusammensetzung des Darmmikrobioms einen wichtigen Einfluss auf die Immunantwort des Körpers hat. Und damit hat sie auch Einfluss darauf, wie der Körper auf Immuntherapien gegen Krebs reagiert. Besonders relevant sind hier die so genannten Immun-Checkpoint-Inhibitoren (ICI), die in der Behandlung von Krebs immer wichtiger werden. Die Entwicklung der ICI-Therapeutika ermöglicht vollkommen neue Behandlungswege im Bereich der Immunonkologie. Im Vergleich zur zytotoxischen Standard-Chemotherapie konnten ICIs bislang das Ansprechen und die Gesamtüberlebensraten der Patientinnen und Patienten stark verbessern. Doch die Therapiekosten sind enorm, die Nebenwirkungen können extrem sein. Für eine große Anzahl der PatientInnen kann sie beispielsweise starke Müdigkeit, Übelkeit, Erbrechen, Hautreaktionen oder sogar die Entwicklung von Autoimmunkrankheiten bedeuten. Auswertungen zeigen, dass 2026 bereits 58 Prozent der KrebspatientInnen eine ICI Therapie machen werden. Das bestätigt die klinische Relevanz des Dreiergespanns aus Darmmikrobiom, Big Data und KI-Analyse. 

Doch das dürfte nur ein erster Schritt sein. Denkbar sind Verbesserungen weiterer Krebstherapien, aber ebenso genauere Diagnosen. Unter Umständen lässt sich beispielsweise Darmkrebs auf diese Weise bis zu fünf Jahre vor dem Ausbruch erkennen – und damit möglicherweise verhindern. An einem entsprechenden Ansatz wird derzeit geforscht.

Zu beachten ist dabei natürlich, dass die Folgen von Falschaussagen schwerwiegend sein können. KI unterliegt im Gesundheitswesen daher völlig zu Recht einer besonderen Kontrolle. Aus diesem Grund ist es essenziell, die Performance der KI kontinuierlich zu messen und zu überwachen.