“Apps bei Praxissuche geradezu alternativlos”

Wer sich als Arzt niederlassen möchte, benötigt passende Räumlichkeiten. Gerade in den deutschen Ballungsgebieten ist das oft kein einfaches Unterfangen. Mednic.de sprach mit der Immobilienfachwirtin Anastasia Wagner, Geschäftsführerin der Immobilienverwaltung HV consulting in Düsseldorf über aktuelle Preise, Besonderheiten von Gewerbeimmobilien und welche Risiken man unbedingt ausschließen sollte. Wagner ist seit zehn Jahren in der Immobilienbranche tätig.

Mednic.de: Wie schwierig ist es aktuell für einen Arzt, die passende Praxisimmobilie zu finden?

Wagner: Das ist ganz stark von der gewünschten Lage abhängig und bundesweitweit betrachtet sehr unterschiedlich. Innenstadtlagen sind häufig sehr begehrt und explizite Ärztehäuser oder Praxisimmobilien sind vielfach Mangelware. Allerdings können Arztpraxen meist recht problemlos auf Büroimmobilien ausweichen. Diese sind oftmals gut geeignet, wobei auf bestimmte Ausstattungsmerkmale zu achten ist. So sollte die Praxis möglichst barrierefrei sein. Ist sie nicht im Erdgeschoss gelegen, sollte ein Aufzug vorhanden sein. Kritisch prüfen sollte man auch, ob die Anordnung der Büroräume für den Praxisbetrieb geeignet ist. In einer Großstadt wie Düsseldorf variieren die Mietpreise für Gewerbeimmobilien zwischen zehn und 26 Euro, bundesweit betrachtet klaffen die Preise extrem weit auseinander. Das reicht von knapp sieben Euro bis hin zu 35 Euro pro Quadratmeter für absolute Toplagen. Wer eine geeignete Gewerbeimmobilie sucht, sollte sich nicht scheuen, einen Makler anzusprechen. Die Vermittlungsprovision bei gewerblichen Vermietungen trägt häufig der Gebäudeeigentümer.

“Preise klaffen extrem weit auseinander”

Mednic.de: Wer sich als Kassenarzt niederlassen möchte, ist bei der Standortwahl nicht völlig frei. Wie schwierig wird die Immobiliensuche, wenn man etwa auf einen Stadtteil beschränkt ist?

Wagner: Das kommt stark auf den entsprechenden Stadt- oder Ortsteil an und hat nicht unbedingt etwas mit dessen grundsätzlicher Attraktivität zu tun. Wie ich kürzlich noch für Düsseldorf überprüft habe, finden sie aktuell in einem recht begehrten Viertel 200 Gewerbeimmobilien, in einem anderen Quartier nur 15 Angebote. Ist man auf einen Stadtteil fixiert, schränkt das die Auswahl massiv ein. Stehen nur wenig Angebote zur Verfügung, kann es eine echte Herausforderung werden, eine Immobilie zu einem vernünftigen Preis und mit akzeptabler Ausstattung zu finden. Auch hier sollte man gegebenenfalls einen lokalen Makler kontaktieren, der sich im Viertel gut auskennt. Ist das Mietangebot sehr begrenzt, sollte man auch den Kauf einer Immobilie in Erwägung ziehen.

Mednic.de: In vielen Großstädten ist abseits der wichtigsten Einkaufsstraßen ein großer Leerstand an Ladenlokalen vorhanden. Kann ein solches Ladenlokal eine Alternative zur klassischen Arztpraxis sein?

Wagner: Ähnlich wie Büroimmobilien sind durchaus auch Ladenlokale nutzbar. Man muss vorab allerdings gut überlegen, welche Umbaumaßnahmen erforderlich sind. Zudem sollte man wissen, dass Ladenlokale in vielen Gegenden kostspieliger sind als Büroimmobilien. Das gilt auch für B- und C-Lagen. Stehen in einer Einkaufsstraße viele Ladenlokale leer, sollte man herausfinden, woran das liegt. Eine neue Arztpraxis in einer verlassen wirkenden Straße vermittelt nicht unbedingt einen positiven Eindruck. Vom Kauf einer solchen Immobilie würde ich jedenfalls abraten.

“Printmedien bei Immobiliensuche kaum noch relevant”

Mednic.de: Wie hilfreich sind bei der Suche ihrer Einschätzung nach die Apps einschlägiger Immobilienportale?

Wagner: Diese Apps sind absolut hilfreich und zum Teil geradezu alternativlos. Viele Angebote werden nur noch auf den bekannten Online-Plattformen veröffentlicht, Printmedien sind hingegen kaum noch relevant. Für Suchende sind die Apps zudem durchweg sehr komfortabel. Man muss nicht Inserat für Inserat prüfen, sondern kann klare Suchkriterien definieren und erhält dann die genau passenden Angebote.

Lokal vor Ort ist es zusätzlich hilfreich, wenn man auf Vermietungsschilder achtet. Diese werden häufig sogar noch vor dem Inserat in einer Immobilienplattform installiert. Mein Tipp: Wer in einem bestimmten Stadtviertel eine passende Immobilie sucht, sollte sich einfach mal aufs Fahrrad schwingen und die wichtigsten Straßen abfahren. So bekommt man schnell einen Eindruck davon, welche Straßen ansprechend und frequentiert sind und welche nicht.

Immobilienfachwirtin Wagner
Immobilienfachwirtin Wagner: „Wer heute eine stark überteuerte Immobilie kauft, erreicht mittelfristig das Gegenteil von Vermögensbildung!“ (Foto: Folker Lück)

Mednic.de: Empfehlen Sie angesichts weiterhin niedriger Zinsen den Kauf einer Gewerbeimmobilie, oder sollten gerade junge Ärzte erst einmal Räumlichkeiten anmieten, weil sie damit flexibler sind?

Wagner: Man ist mit einem Objekt zur Miete nicht unbedingt flexibler. So sind bei Gewerbeimmobilien die Laufzeiten frei vereinbar. In attraktiven Lagen müssen sie sich womöglich auf lange Vertragslaufzeiten von bis zu 15 Jahren einlassen. Der Kauf einer Gewerbeimmobilie kann dann sinnvoll sein, insbesondere wenn man die Bildung von Vermögen zum Ziel hat. Man sollte dabei aber bedenken, dass die starke Nachfrage nach Immobilien die Preise zuletzt ziemlich in die Höhe getrieben hat und die Zinsbindung meist nur für zehn Jahre besteht. Wer heute eine stark überteuerte Immobilie kauft, erreicht mittelfristig womöglich das Gegenteil von Vermögensbildung! Gerade in ländlichen Regionen werden Praxisräume und Eigenheim oft kombiniert angeboten. Hier kann ein Kauf überaus sinnvoll sein. Insgesamt rate ich einem jungen Praxisteam eher zu einem Mietobjekt, weil es meistens doch mehr Flexibilität ermöglicht. Wer sich bezüglich Kauf oder Miete völlig unschlüssig ist, sollte diese Frage auch einmal mit dem Steuerberater besprechen.

Geübter ‚Blick’ für baulichen Zustand ist wichtig

Mednic.de: Auf welche Details sollte man bei der Besichtigung einer Immobilie unbedingt achten?

Wagner: Man muss den baulichen Zustand des Objekts und des Hauses insgesamt gut prüfen. Gibt es offensichtliche Mängel wie Schimmel oder uralte Fenster? Risse hingegen stellen in der Regel keinen Mangel dar, da es bei älteren Objekten oftmals Setzungsrisse und bei modernen Bauten Schwindrisse sein können, die durch das Austrocknen unterschiedlicher Baustoffe entstehen. Wie gut sind die Räume aufgeteilt? Können Umbauten ohne großen Aufwand vorgenommen werden? Besteht am Objekt insgesamt ein Investitionsrückstau? Wie gut ist die Lage insgesamt? Wer ist in der Nachbarschaft ansässig? Ich empfehle Laien, zum Besichtigungstermin einen Gutachter oder Immobilienverwalter mitzunehmen, der in der Regel einen geübten ‚Blick’ für mögliche Probleme hat.

Nutzung als Praxisraum muss gestattet sein

Mednic.de: Was sollte man vor der Unterschrift im Miet- oder Kaufvertrag bedenken? Welche Fallstricke gibt es?

Wagner: Beim Mietvertrag sollte man prüfen, wie der Mietzins berechnet wird und ob eine Staffelmiete vorgesehen ist, die kontinuierliche Mieterhöhungen zur Folge hat. Unbedingt achtgeben muss man auf die Laufzeit des Mietvertrags, die bei Gewerbeimmobilien von einem Monat bis hin zu Jahrzehnten variieren kann. Ist eine lange Laufzeit vorgesehen, sollte man klären, ob notfalls eine Untervermietung möglich ist. Ein ganz wichtiger Aspekt ist auch die Nutzung! Sie muss genau definiert sein. Die Formulierung „Die Immobilie darf als Arztpraxis genutzt werden“, reicht im Streitfall womöglich nicht aus. Besser ist eine konkrete Aussage wie „Der Mieter Dr. Meier darf die Immobilie als HNO-Arztpraxis nutzen“. Werden Räumlichkeiten abseits der Toplagen angemietet, sollte man als Mieter nach Mietanreizen fragen. Viele Vermieter sind bei längerer Zeit leerstehenden Räumlichkeiten bereit, etwa die Miete für einen oder zwei Monate zu erlassen.

Bei Kaufverträgen ist ein wichtiger Aspekt, ob es sich um den Kauf eines ganzen Objektes oder um Teileigentum handelt. Bei Teileigentum muss klar sein, dass eine Nutzung als Praxisraum in der Gemeinschaftsordnung gestattet ist. Über bereits durchgeführte oder anstehende Sanierungsmaßnahmen im Gebäude informiert in der Regel das Beschlussbuch der Eigentümergemeinschaft. Grundsätzlich empfehle ich, einen Sachverständigen hinzuzuziehen. Sowohl einen Mietvertrag, als auch einen Kaufvertrag sollte man vor der Unterschrift unbedingt von einem Rechtsanwalt prüfen lassen.

Mednic.de: Frau Wagner, wir danken Ihnen für dieses Gespräch!